Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
als sie Seitenstechen bekam. Immer wieder sah sie sich um, ob ihr jemand folgte, aber niemand achtete auf sie. Das warjetzt wirklich ganz knapp gewesen. Sie hatte nicht gedacht, dass Anton so leicht auf ihr Theater hereinfiele. Aber dafür würde er ihr diese Komödie wohl nie im Leben verzeihen und sie bis an sein Lebensende dafür hassen.
In Zukunft musste sie jedenfalls höllisch aufpassen, damit ihr so etwas nicht noch einmal passierte. Selbst in einer so großen Stadt wie Berlin konnte man sich unvermutet auch zweimal über den Weg laufen.
Mit einem großen Umweg kam sie in der Friedrichstraße an. Schon von Weitem sah sie Willi, den netten Luftwaffenhelfer, der vor der Tür auf und ab spazierte und auf sie zu warten schien. »He«, rief er ihr zu und winkte, »ich hab grade frei und wollte mal sehen, was Sie so machen.«
»Das ist wirklich nett von Ihnen«, gab Magdalena außer Atem zurück. »Und ich freue mich auch, Sie zu sehen. Aber im Moment habe ich leider keine Zeit. Ich hab Ärger gehabt und möchte mich eigentlich bloß noch ausruhen.«
»Tut mir leid«, Willi machte ein enttäuschtes Gesicht. »Na dann, auf ein andermal! Vielleicht übermorgen, um die gleiche Zeit?«
»Geht in Ordnung! Sie können zum Tee kommen, um vier!«
»Mach ich!« Er rückte seine Mütze gerade, wandte sich um und schlenderte pfeifend davon.
In den folgenden Monaten war Magdalena besonders auf der Hut. Sie fuhr zwar jeden Tag wie gewohnt zur Arbeit und erledigte ihren Schichtdienst an der Maschine so gewissenhaft wie möglich. Trotzdem war die Angst ihr ständiger Begleiter, dass Anton Schäfer ihren Wohnort herausfinden und plötzlich wieder vor ihr stehen könnte. Das Gefühl, beobachtet zu werden, brachte sie gar nicht mehr recht los. Anton würde sie finden, wenn sie in der Stadt blieb. Sie musste fort, wusste aber nicht, wohin. Ohne ein Kopftuch, das sie wie eine alte Frau tief ins Gesichtzog, ging sie überhaupt nicht mehr aus, sie sah sich ständig um und blieb in Toreinfahrten stehen, um zu sehen, ob eine verdächtige Person ihr folgte, oder an ihr vorbeiging. So groß die Versuchung auch war, sie wagte sich auf keinen Fall mehr zum Postamt, wollte auch Frau Lindental nicht dorthin schicken, aus Angst vor Entdeckung. Der Gedanke, dass dort vielleicht jetzt ein Brief von Paul auf sie wartete, schmerzte sie unsagbar und lastete wie ein schweres Gewicht auf ihrem Herz. Oh Paul, dachte sie manchmal, wo bist du nur? Irgendwer da oben will nicht, dass wir wieder zueinanderflnden!
Frau Lindental, die immer noch gezögert und gehofft hatte, der Krieg würde nicht mehr lange dauern, bereitete jetzt schweren Herzens doch alles für den Umzug an den Stadtrand vor. Magdalena sollte selbstverständlich mitkommen; das teilte sie ihr eines Abends mit aller Entschiedenheit mit. Sie sorgte im Übrigen wie eine Mutter für sie, kochte, wusch ihre Sachen, und wenn sie am Abend Zeit hatten, miteinander zu plaudern, dann erzählte ihr Magdalena manchmal Bruchstücke aus ihrem Leben. Die rüstige Dame wunderte sich über vieles, unterließ es aber taktvoll, direkt nach Einzelheiten zu fragen. Sie war sicher, dass ihr Schützling ihr eines Tages die ganze Wahrheit bekennen würde.
Berlin wurde jetzt täglich und oft auch in der Nacht von Luftangriffen erschüttert. Wenn die Sirenen zu heulen begannen, liefen alle in den Keller, kauerten sich nieder und hofften, dass es bald vorbei sein würde. Die Friedrichstraße war in ihrer Gesamtheit bereits von etlichen Lücken ausgebombter Häuser durchzogen. Man sah gar nicht hin, verdrängte die Angst, und es schien wie ein »Vabanquespiel«. Erst wenn die Erde zitterte, weil eine Bombe oder Granate in der Nähe einschlug, wurde ihnen bewusst, dass es beim nächsten Mal ihr Haus sein konnte, dass Trümmer und Betonplatten über ihnen zusammenbrechen und sie lebendig begraben konnten. Unerbittlich flogen die Maschinender Alliierten weiter über die Stadt, warfen ihre tödliche Last ab, zerstörten Gebäude und töteten flüchtende Menschen, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten.
Die Nachrichten von der Front, die sie beide, gespannt vor dem Radiogerät sitzend, verfolgten, klangen besorgniserregend. Hitler sprach weiter vom Endkampf, vom Durchhalten bis zur letzten Patrone, vom Volkskampf. Magdalena vernahm mit Schaudern, dass man nicht nur die alten Männer, sondern nun auch Jugendliche in den Widerstandskampf, den sogenannten »Volkssturm« mit hineinzog. Sie dachte an
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