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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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»Ich würde es Ihnen sagen, wenn ich es wüsste. Eine Zeit lang ist sie bei Verwandten untergekommen. Ich habe nur erfahren, dass sie ein Kind hat, eine kleine Tochter.«
    »Sie hat … ein Kind?« Paul versuchte, sich seine Erschütterung nicht anmerken zu lassen. »Danke, dass du so offen zu mir warst.« Dann fasste er sich und zwang sich zu einem freundlichen Gesicht. »Ich sehe, du bist hier Luftwaffenhelfer, nicht wahr? Da drüben in dem olivgrauen Flakturm?«
    »Ja, wir wohnen auch da. Das Kasino ist im selben Gebäude, da wird gar nicht schlecht gekocht. Vom Turm aus können wir sehr gut die Stadt überblicken. Aber die Angriffe kommen jetzt so geballt, dass es schwer ist, sie zu verhindern. Gestern haben sie den Dom getroffen und er brannte in einer riesigen Kupferflamme aus.«
    »Wie bei dem Angriff auf Königsberg …« Paul konnte den Satz nicht vollenden und musste sich räuspern.
    »Ja, da muss es wohl besonders schlimm gewesen sein. Das alte Königsberg soll völlig zerstört sein.« Er senkte den Kopf und schluckte. »Die Leute wurden evakuiert – es gibt eine lange Liste von Toten. Man kann sie im Rathaus einsehen.«
    Pauls Herz krampfte sich zusammen. Die anderen Jungen waren bereits ein gutes Stück entfernt. Theo sah ihnen unruhig nach. »Ich muss gehen – hab bald wieder Dienst. Hat mich gefreut, Sie getroffen zu haben, Herr Hofmann. Wenn der Krieg zu Ende ist, sehen wir uns sicher wieder. Heil Hitler!« Er hob die Hand zum Gruß, doch Paul blieb die Antwort im Halse stecken. Er spürte einen bitteren Geschmack im Mund, als er weiterging. Ein Kind! Magdalena hatte ein Kind! Es gab also einen anderenMann in ihrem Leben! Sie dachte nicht mehr an ihn, hatte ihn vergessen! Er fühlte sich wie zerschmettert. So war das also: Aus den Augen, aus dem Sinn!
    Traurig kehrte er in die Kaserne zurück. Der Nachrichtendienst meldete neue Anflüge, die Sirenen schrillten Alarm, und wieder begann die Flucht der Menschen in die Luftschutzkeller. Man musste jetzt sehr schnell sein, denn die Amerikaner versuchten neuerdings, die Radarüberwachung und Flakabwehr mit durch die Luft fliegenden Stanniolstreifen außer Kraft zu setzen. Fast im gleichen Augenblick, als die Sirenen aufheulten, kam auch schon das Geschwader schneller Mustangs mit B 17 Bomben der USAFS herangebraust, die in wenigen Augenblicken ihre tödliche Last ausklinkten, die ganze Straßenzüge zerstörte. Jeder, der nicht schnellstens einen Unterschlupf fand, war in Gefahr, von den fliegenden Todesmaschinen niedergemäht zu werden. Es gab keine Rücksicht auf Zivilisten mehr – die Alliierten hatten sich vorgenommen, Berlin von der Landkarte zu radieren, und so wie es jetzt aussah, würde ihnen das auch gelingen.
    Nach dem Angriff ging Paul durch die rauchenden Trümmer zum Roten Rathaus, das zwar stark beschädigt, aber noch einigermaßen intakt war, und überflog mit einem Kloß im Magen die Listen der Königsberger Toten. Seine Schwester Christine und Doktor Gabriele Braun waren glücklicherweise nicht darunter. Er dachte manchmal an die junge Ärztin, hatte den Kontakt zu ihr aber nicht weiter aufrechterhalten, weil er spürte, dass sie ihm niemals so nahe sein würde wie seine große Liebe Magdalena. Er konnte sie einfach nicht vergessen.
    Mit schweren Schritten kehrte er wieder in die Schreibstube der Kaserne zurück und versuchte, seinen Gedanken eine andere Richtung zu geben und vor allem nicht mehr an Magdalena und ihr Kind zu denken. Automatisch überflog er das Defizit der Maschinenersatzteile und Waffen und stellte es den zahlreichenAnforderungen neuen Materials, das eigentlich gar nicht mehr vorhanden war, gegenüber. Es war sinnlos, weiter daran zu arbeiten, denn es zeigte ganz deutlich, dass die Wehrmacht in diesem Stadium den nötigen Nachschub nicht mehr liefern konnte. Seufzend legte er den Stift beiseite. Seine noch nicht ganz auskurierte Verletzung schmerzte wieder. Aber er hatte weder Lust, sich zu schonen, noch sich in eines der überfüllten Lazarette zu begeben, in denen es nach Blut und Eiter stank und in denen Ärzte und Schwestern in Operationsräumen, die Schlachthöfen glichen, meist vergeblich gegen den Tod kämpften.
    Seine Illusionen über den »Blitzkrieg« und den »Führer« waren längst wie Seifenblasen zerplatzt; jetzt hieß es nur noch, alles lebend zu überstehen, bis die Kapitulation kam, das Ende dieser sinnlosen Kämpfe, des nur noch ›Sich-Wehrens‹, das jeden Tag unnötige Tote und Verwundete

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