Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
umgehen konnte!«
Magdalena nickte und folgte ihr in den Salon. Hier lag alles kreuz und quer durcheinander, Sachen waren chaotisch herausgerissen, Kommoden umgestürzt, Schränke durchwühlt, so als habe man überall nach Wertsachen gesucht.
»Gottfrieds Familiensilber ist verschwunden«, jammerte Gertraud, die ihrem Blick gefolgt war. »Kerzenleuchter, Geschirr, mein Schmuck, alles, was sie zu fassen bekamen, haben sie mit sich genommen, dieses Pack, diese Verbrecher! Bedeutet Krieg, dass man ungestraft seine Herrschaft bestehlen kann?«
»Aber Gertraud – in Königsberg ist auch sehr viel zerstört. Viele haben ihr Haus und alles, was darin war, verloren! Du müsstest sehen, wie es in der Stadt aussieht!«
»Bist du nur gekommen, um mir das zu sagen?« Jetzt klang aus der quengligen Stimme der hochmütige Ton Gertrauds wieder durch.
»Nein. Um ehrlich zu sein – ich bin da, weil ich kein Dach über dem Kopf habe und im Augenblick kein Zug nach Berlinfährt. Und wenn du mich fragst, dann solltest auch du nicht länger auf dem Gut bleiben. Die Russen sind nicht mehr aufzuhalten, wenn nicht gerade ein Wunder geschieht. Sie werden bald da sein! Es bleibt uns nur noch die Flucht in den Westen!«
»Nein!«, es war wie ein hysterischer Aufschrei. »Ich geh hier nicht weg. Das ist mein Leben!« Sie schlug die Hände vors Gesicht und ließ sich in einen Sessel fallen. »Soll ich das alles im Stich lassen?«
Magdalena hatte ihr reglos zugesehen und nur ihre eigene Erschöpfung gefühlt. »Ich kann dir nicht helfen. Schließlich stehe ich ja immer noch auf der Fahndungsliste.«
»Das ist doch jetzt ganz egal. Wichtig ist, dass wir zusammenbleiben. Lass mich nicht im Stich, bitte!«, stieß Gertraud atemlos hervor und umklammerte ihre Hand. »Ich bin doch deine Schwester!«
Auf einmal, dachte Magdalena und verzog den Mund. Das war wieder einmal typisch Gertraud. Jetzt braucht sie mich, wo sie selbst nicht weiterweiß. Aber noch vor ein paar Tagen hat sie mich eiskalt von der Türschwelle gewiesen.
»Vielleicht wird ja noch alles anders – es kann noch nicht alles verloren sein!« Die irrwitzige Hoffnung, die aus Gertrauds Augen leuchtete, irritierte sie. »Bleib bei mir, Lena, ich bitte dich! Hier kannst du ein großes Zimmer bewohnen, dir nehmen, was du willst«, flehte sie. »Und es gibt sogar ein Versteck in der Bibliothek. Ein getarntes Buchregal, hinter dem sich eine Tür mit einer Treppe befindet, die in einen kleinen Bunker geht. Wir warten ab, was geschieht – wegfahren können wir ja immer noch. Pferd und Wagen stehen bereit, wir müssen nur anspannen.«
Magdalena seufzte tief auf. Sie war erschöpft und die mit Verbandsmull verklebte Platzwunde an ihrem Kopf pochte. Hatte Gertraud nur ein einziges Mal gefragt, was ihr selbst zugestoßen war – wie sie die letzten Jahre verbracht oder den schrecklichen Angriff auf die Stadt überstanden hatte? Wie immer dachte sienur an sich, an ihr eigenes Wohl, ihre Furcht, ihr eigenes Fortkommen.
»Gut – wir werden sehen!«, sagte sie ohne Betonung. »Aber nur, wenn du machst, was ich sage!«
Gertraud widersprach diesmal nicht. Sie umfasste sie stürmisch. »Lena, ich danke dir. Ich wusste, ich kann mich auf dich verlassen!«
Eine Karte fiel bei dieser Bewegung vom Tisch, die Anzeige einer Hochzeit mit aufgedruckten goldenen Ringen.
Magdalena hob sie auf und streifte sie mit einem kurzen Blick. »Du hast noch Post bekommen?«
»Ach, unwichtig! Die Anzeige ist aus Teplitz, von Großonkel Ludwig.« Achtlos schob sie die Karte beiseite. »Seine Tochter Katharina – sie heiratet irgendeinen Journalisten, Heinz Richter, einen Kriegsberichterstatter. Aber soll sie nur – mir ist das jetzt alles egal. Meinen Gottfried bringt mir niemand zurück.« Wieder strömten Tränen aus ihren Augen, während Magdalena die Lippen zusammenpresste, aufstand, und die Karte in den nächsten Papierkorb warf.
In den nächsten Tagen mussten die Ärmel hochgekrempelt und ungewohnte Arbeiten geleistet werden. Auch Gertraud war gezwungen, ordentlich mit anzupacken und sich zum ersten Mal in ihrem Leben bei der Landarbeit zu betätigen. Die Tiere durften nicht ohne Futter sein und die Ställe waren von Unrat zu reinigen. Die beiden Frauen standen schon früh auf, und während die noch verbliebene alte Stallmagd die Kühe molk, fütterten sie die Pferde, misteten aus, kümmerten sich um das Federvieh und brachten das Haus in Ordnung. Jeden Abend nach dem Essen, das weitaus
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