Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
geworden. Den neuesten Nachrichten zufolge drohten die Sowjets die deutschen Verteidigungslinien an der Lausitzer Neiße, südlich von Berlin, zu überrollen, während die Armee General Schukows von der Weißrussischen Front bei den Seelower Höhen vom Norden aus aufrückte. Das würde das Ende bedeuten, nämlich dass sich ein Zangenangriff der Russen auf Berlin, die letzte Festung im Land und zugleich Hitlers Zufluchtsort, abzeichnete.
Den Kopf auf die Ellenbogen gestützt, vor sich die unsinnigen Akten, die die Wirklichkeit verschleierten, blickte er gleichgültig auf, als sich die Tür öffnete und ein junger Leutnant mit einem Papier in der Hand die Stube betrat. »Heil Hitler, Herr Hofmann. Ich bringe Ihnen einen Befehl zu einem neuen Einsatz. Damit es Ihnen in Berlin nicht zu langweilig wird!«, setzte er ironisch hinzu.
»Einen Befehl?« Paul erhob sich und nahm das Schriftstückentgegen und überflog es rasch. Man beauftragte ihn damit, eine Pioniergruppe zu leiten, die Verschüttete aus eingestürzten Häusern rettete.
»Ab wann?«, fragte er kurz.
»Sofort!«, war die Antwort. »Die Einheit ist bereits zusammengestellt und steht zu Ihrer Verfügung. Die bisherigen Einsatzkräfte sind nach den letzten Luftangriffen total überfordert und müssen dringend verstärkt werden.«
»Jetzt sind wir wohl so weit einzusehen, dass es dringender ist, Menschen aus Trümmern auszugraben, anstatt nicht vorhandenes Material auf Listen zu setzen, die ohnehin nicht mehr ankommen.«
Der Leutnant warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Diese Bemerkung habe ich überhört. Sie sollten etwas vorsichtiger in Ihren Äußerungen sein, Herr Hofmann. Unsere Soldaten im Feld ringen heroisch um den Sieg.«
»Sie beißen heroisch ins Gras«, die Stimme Pauls nahm einen spöttischen Ton an. »Und an den Sieg hab ich vor langer Zeit auch mal geglaubt.«
»Was reden Sie denn da!«, blaffte ihn der Leutnant jetzt wichtigtuerisch an. »Jetzt reicht es aber! Gehen Sie nicht zu weit. Sie sollten doch wissen, dass die SS bei solchem Geschwätz keinen Spaß versteht!« Er legte den Einsatzbefehl auf den Tisch.
»Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Ich habe meine Pflicht an der Front getan.« Paul legte den Befehl in seine Schublade.
»Hier ist noch eine weitergeleitete Nachricht für Sie!«, der Leutnant streifte ihn mit einem verächtlichen Blick und warf einen Brief auf den Tisch, bevor er Türen knallend den Raum verließ.
Hastig überflog Paul das Schreiben seiner Schwester, die ihm zu seiner großen Erleichterung mitteilte, sie habe die beiden kurz aufeinander folgenden schweren Angriffe auf Königsbergglücklicherweise unverletzt überstanden. Für kurze Zeit sei sie noch in der zerstörten Stadt geblieben, hätte dann jedoch den Rest ihrer Habe zusammengepackt, um mit anderen Flüchtlingen fortzuziehen. Jetzt wohne sie vorübergehend bei einem Bauern auf dem Land, fürchte sich jedoch vor der Besetzung durch die Russen, da die Rote Armee scheinbar bereits die Ostsee erreicht hätte. In einem Nachsatz stand dann noch, dass seine ehemalige Verlobte (sie vermied es, ihren Namen zu erwähnen) sie besucht und sich nach ihm erkundigt habe. Die Betreffende hätte sich allerdings schnell wieder verabschiedet, da ihr Lebensgefährte auf sie wartete.
Ihr Lebensgefährte! Dieses Wort kristallisierte sich heraus, und durch Pauls Herz ging ein schmerzhafter Stich. Er fühlte sich zum zweiten Mal wie vor den Kopf geschlagen. Jetzt musste er endlich begreifen, dass ein anderer seinen Platz an der Seite Magdalenas eingenommen hatte! In einem Winkel seines Herzens war immer noch eine vage Hoffnung lebendig gewesen. Und irgendetwas in ihm weigerte sich auch jetzt noch beharrlich, sie endgültig zu begraben. Er wollte Magdalena wenigstens noch einmal sehen – mit ihr sprechen, aus ihrem eigenen Mund hören, warum sie ihn so schnell vergessen hatte!
Fred brachte Magdalena gleich bei der Ankunft in Berlin in ein Krankenhaus, bevor er begann, nach seiner eigenen Familie zu suchen. Magdalena war zutiefst erschöpft, und die Ärzte stellten eine verschleppte Bronchitis fest, die sich zu einer Lungenentzündung entwickelt hatte. Die Unterkühlung und die Strapazen der Flucht hatten die Symptome noch verschlimmert. Doch ihre unbändig starke Natur und der Wunsch, ihre kleine Tochter Paula sobald wie möglich wieder in den Armen zu halten, beschleunigten ihre Genesung, und sobald sie einigermaßen wiederhergestellt war, verließ sie das
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