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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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Wagen saß und den Kopf in ihrem Pelz vergrub.
    Irgendwann kehrte plötzlich wieder Ruhe ein – die tödliche Stille nach dem Sturm. Sie wagten nicht zurückzusehen, nicht nach rechts und nicht nach links, und vor allem nicht auf das Inferno des aufgerissenen Eises.
    »Hüh!« Wieder musste sie die Peitsche schwingen, fester und gröber, denn der entkräftete und erschrockene Gaul wollte nicht mehr. »Lauf! Wir müssen weiter!« Den starren Blick auf den Pferderücken geheftet, Kälte und Frost kaum spürend, trieb sie die schäumende, schweißnasse Stute endlich auf festen Grund.
    Als sie Gotenhafen erreichten, wo die »Wilhelm Gustloff« ankerte, das letzte Schiff, das noch Flüchtlinge aufnehmen konnte, herrschte bittere Kälte mit Minusgraden. Es wimmelte am Hafen vor Menschen, die sich noch auf die schwimmende Rettungsinsel drängen wollten, um die Möglichkeit zum Entkommen über die See zu nutzen. Magdalena und Gertraud mischten sich mit vielen anderen in das heillose Gedränge am Kai, doch es schienfast unmöglich durchzukommen. Jeder wollte noch mit, obwohl das Schiff mit Passagieren bereits überfüllt war und kaum mehr Leute aufnehmen konnte.
    »Gertraud!«, schrie Magdalena, die die Schwester im Gewühl verloren hatte. Ihre Stimme ging im Lärm des Hafens unter. »Gertraud!« Ihr Atem ringelte sich wie eine weiße Wolke in der frostigen Luft, als sie von den Nachdrängenden Schritt für Schritt vorangepresst wurde. Menschentrauben klammerten sich bereits an die Reling, schoben sich rücksichtslos durch, obwohl Mütter mit Kindern Vorrang haben sollten. Gertrauds verzweifelte Bestechungsversuche an die Matrosen waren zuvor gescheitert, aber sie konnte sich in ihrem Eigensinn nicht damit abfinden zurückzubleiben. Als Magdalena bemerkte, dass die Schwester nicht mehr an ihrer Seite war, war es bereits zu spät.
    »Gertraud!« Magdalena versuchte es immer wieder. Doch die Schwester hörte sie nicht oder wollte nicht hören. Nach einem kleinen Tumult in der Menge sah sie Gertraud plötzlich wie durch ein Wunder mit triumphierender Miene hinter der Reling auftauchen. Irgendwie hatte sie es geschafft, sich an den wie Ölsardinen zusammengequetschten Menschen vorbeizuschieben. Magdalena winkte, wollte ihr etwas zurufen, doch es war unmöglich, sich Gehör zu verschaffen. Ein energischer Schiffsoffizier schob die Zurückgebliebenen und Nachdrängenden mit Gewalt über die Holztreppe nach unten und schloss den trennenden Riegel der Zwischentür. Die Treppe wurde gelöst, das Schiff legte mit einem durchdringenden Signalton ab. Einige der sich noch verzweifelt an die Brücke Anklammernden, von ihren Angehörigen getrennt, die es noch auf das Schiff geschafft hatten, stürzten schreiend ins eisige Wasser der Ostsee.
    Das Schiff entfernte sich nun schwerfällig auf dem bewegten Wasser im Nebel des eisigen Wintertages, und die Dahinziehenden waren bald nur noch als Schemen erkennbar. Mit Tränen in den Augen sah Magdalena der »Wilhelm Gustloff« auf deraufgewühlten See nach, bis sie schließlich nur noch als Punkt am Horizont zu erkennen war.
    Gertraud hatte es geschafft – und sie war allein zurückgeblieben! Wo würden sie sich wiedersehen und unter welchen Umständen? Ein Frostschauer jagte ihr über den Rücken, und erst jetzt fühlte sie die Kälte der Minustemperaturen, die ihr bis ins Mark drang, den Schmerz in den steifen und abgefrorenen Fingern ihrer Hand, die sie zu einem nutzlosen Abschiedsgruß erhoben hatte. Mit schleppendem Schritt und gesenktem Kopf wandte sie sich zurück. Der beschwerliche und lange Landweg lag noch vor ihr, und die Angst vor den aufrückenden Russen, die den Ring langsam, aber unerbittlich weiter zuziehen würden, schwebte wie ein drohendes Gespenst über allem.
    Es schien nahezu unmöglich, sich wieder in den aufeinanderrumpelnden und nachdrängenden Treck verängstigter Menschen auf der Straße einzureihen, doch der brave Fred schaffte es mit einem riskanten Einschermanöver, mit dem er die anderen Wagen, deren Fahrer fluchend die Faust ballten, hinter sich ließ.
    Nachts machten sie Rast in schnell eingerichteten Lagern, in Schulen oder Hallen, in denen Rot-Kreuz-Helferinnen meist ein heißes Getränk oder eine Suppe für sie hatten und wo sie Futter für die Pferde fanden. Doch jedes Mal, wenn wieder eine Flugstaffel mit ihrer tödlichen Fracht heranbrauste, blieb nur schnelle Flucht, in ein verlassenes Gehöft, ein nahes Waldstück, den Straßengraben und, wenn es ganz

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