Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
vereinzelten Kartoffelstückchen, fühlte sie sich wie in einer kleinen Familie.
Die Pionierabteilung in Berlin zur Bergung lebender Personen in verschütteten Luftschutzräumen, zu der Paul Hofmann jetzt gehörte, war hervorragend ausgerüstet und auf jeden Ernstfall vorbereitet. Die neue Aufgabe mit den ständig laufenden Einsätzen und der körperlichen Arbeit tat ihm nach der deprimierendenund eintönigen Schreibstubenarbeit ausgesprochen gut. Er dachte dabei immer an seine Mutter, der nicht mehr zu helfen gewesen war, als ihr Haus unter der Bombe einstürzte. Allein schon aus diesem Grund war es ihm eine persönliche Genugtuung, verstörte Menschen aus verschütteten Räumen ans Licht zu ziehen und in ihren erleichterten Gesichtern das Glück zu sehen, noch einmal davongekommen zu sein.
Bei seiner neuen Tätigkeit kamen ihm vor allem seine technischen und alles Maschinelle betreffenden Kenntnisse zugute; er begriff rasch das Zusammenspiel schwerer Bohrgeräte mit den Gesetzen der Statik, die bei Ausgrabungen berücksichtigt und berechnet werden mussten. Und er hatte schon nach kurzer Zeit eine bei den Kollegen noch umstrittene Methode entwickelt, durch unterirdische, gezielt dosierte Sprengsätze schnelleren Zugang zu den verschütteten Kellern herzustellen. Man musste allerdings sehr sorgsam Nutzen und Schaden dieser gefahrvollen Methode abwägen, um zusätzliche Einstürze bereits gegrabener Stollen zu vermeiden. Gegen den Rat des Sprengmeisters hatte er neulich bei einer aussichtslos scheinenden Situation sogar ein Experiment gewagt – und Erfolg gehabt. Seitdem hörte man auf ihn und brachte ihm Respekt entgegen.
Trotz der anstrengenden Arbeit, wenn seine Einheit nach ununterbrochenen Bombenangriffen pausenlos im Einsatz war, gab es Momente, in denen er so etwas wie Zufriedenheit spürte. Er hatte Menschenleben aus Todesnot gerettet, Kindern eine Zukunft gegeben und der um sich greifenden, unaufhörlichen Vernichtungswelle ein paar Opfer abgerungen.
»Achtung, Achtung!« Die Stimme, die aus dem dunklen Radioempfänger drang, neben dem Magdalena selbstvergessen mit ihrer kleinen Tochter spielte, sprach erregt und ziemlich hastig. Sie meldete einen Fliegereinsatz: »Flugverbände von Osten kommend mit wechselnden Kursen gesichtet. Ein Kampfgeschwadernimmt Kurs direkt auf die Stadt … « Der Ton verzerrte sich und brach mit brummenden Geräuschen ganz ab. In diesem Moment heulten auch schon die Sirenen, und fast gleichzeitig ertönten aus der Ferne die Motoren der anfliegenden Maschinen, gefolgt vom donnernden Krachen einschlagender Granaten. »Achtung, Achtung, russische Bomber aus Richtung …« Abgewürgt verstummte die Stimme mit einem letzten Krächzen.
»Schnell, wir müssen runter«, rief die Hausfrau aus der Küche, die in fliegender Eile den Gasherd ausgeschaltet und ihre für den Notfall immer gepackte Tasche ergriffen hatte. Die drei Kinder quengelten um sie herum, als sie sie zur Tür schob. »Kommen Sie! Die Meldungen erreichen uns jetzt immer viel zu spät.«
Magdalena nahm Paula auf den Arm und eilte Frau Moritz nach, die hastig dem Keller zustrebte. Die übrigen Hausbewohner waren schon vorausgelaufen und hatten sich mit Koffern und Decken in dem großen, in Parzellen unterteilten Raum niedergelassen. Eine nackte Glühbirne erhellte das karge Umfeld. Magdalena, die als Letzte den Fuß auf die Kellertreppe setzte, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, spürte im selben Moment ein Beben und eine Druckwelle, die ihr den Atem nahm. Alles schwankte, als rüttele eine Riesenfaust an dem Gebäude. Hysterische Schreie ertönten. Das Licht erlosch, ihr Fuß trat ins Leere und das Kind an sich gepresst, als wolle sie es mit ihrem Körper und ihren Armen schützen, fiel sie in eine bodenlose Schwärze und schlug irgendwo hart auf. Es war eine Weile totenstill, dann hörte sie irgendjemand in der Dunkelheit fluchen und das jämmerliche Weinen Paulas, deren kleinen Körper sie zwischen Staub und Steinen neben sich ertastete. Ein Streichholz flammte auf und sie sah in das unter den verrutschten Lockenwicklern von Kohlenstaub verschmierte Gesicht von Erika Moritz, die sich über sie beugte, ihr die Hand reichte und versuchte, sie hochzuziehen. Stimmengewirr kam auf. Alle Kellerinsassen redeten auf einmal durcheinander.
»Alles in Ordnung? Haben Sie sich wehgetan? Was ist mit der Kleinen?« Magdalena ging in die Knie und hob die zappelnde und schreiende Paula hoch, die zum Glück
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