Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
grausam waren doch die Menschen, wie furchtbar und menschenunwürdig dieser Krieg!
Ununterbrochene Angriffe von über siebentausendfünfhundert nagelneuen Kampfflugzeugen, die sich gegen Berlin in Stellung brachten, suchten mittlerweile die Stadt heim, und das Zusammenziehen sowjetischer Soldaten in Millionenhöhe, das Anrollen unzähliger russischer Panzer vor den Toren der Stadt versetzte die Bevölkerung in Panik und ständige Angst. Die Eroberung Berlins war das Ziel Stalins in diesem Krieg, und Hitler hatte dem nicht mehr entgegenzusetzen als stark dezimierte Wehrmachtsarmeen, zusammengewürfelte Einheiten aus dem Volkssturm, seine Hitlerjugend und SS-Truppen. Berlin war verloren, aber trotzdem verbot er aufzugeben, die längst überfällige Kapitulation einzuleiten!
Magdalena war auf dem Weg zum Stadtteil Wedding, dort, wo Willi Schwarz wohnte. Sie hatte große Sehnsucht nach Paula, ihrer kleinen Tochter, und hoffte, dass Willi sich in all den Wirren gut um sie gekümmert hatte. Er war ein guter Kerl, und obwohl er so viel für sie getan und sie immer gewusst hatte, dass er mehr für sie empfand, sah sie in ihm nicht mehr als einen guten Freund.
Das Haus, in dem sich Willis Wohnung befand, stand noch. Sie stieg, immer wieder hustend und Rast einlegend, die Treppen hinauf zur Dachstube und klingelte Sturm. Aber niemand öffnete – Willi war sicher noch bei der Arbeit. Aber wo befand sich die kleine Paula? Als sie enttäuscht wieder hinunterging, öffnete eine Nachbarin, die Haare unter einem Haarnetz in Lockenwickler gerollt, die Tür und lächelte sie an. Zwei kleine Buben lugten neugierig hinter ihren Röcken hervor, und auf dem Arm trug sie ein dunkel gelocktes Mädchen. »Sind Sie nicht Magdalena von Walden?«, fragte sie zögernd. »Ich bin Erika Moritz und …«
»Paula!«, schrie Magdalena auf, riss ihr die erschrockene Kleine aus den Armen, drückte und herzte sie. Doch das Kind begann laut zu schreien und streckte Hilfe suchend die Armchen nach seiner Ersatzmutter aus.
»Entschuldigen Sie, Frau Moritz. Aber ich habe mein Kind so lange nicht gesehen. Es kennt mich ja gar nicht mehr«, sagte Magdalena traurig und wischte sich heimlich eine Träne aus dem Auge.
»Das ist in dem Alter ganz normal«, beschwichtigte sie die Frau mit nachsichtiger Miene, »aber kommen Sie doch herein. Herr Schwarz hat mich gebeten, auf die Kleine aufzupassen, wenn er in der Arbeit ist. Meist ist er um diese Zeit schon wieder da«, sie sah auf die Uhr, »außer er hat Nachtdienst. Dann ist Paula die ganze Zeit bei mir. Sicher ist er froh, dass Sie wieder zurück sind. Ein Kind ohne Mutter … mein Mann hätte das abgelehnt. Aber er ist ja auch im Krieg …«
Magdalena hatte kaum hingehört und musste Frau Moritz die zappelnde und weinende Paula jetzt wohl oder übel wieder überlassen. Aber sie betrachtete ihr kleines Mädchen voller Stolz und mit einem wehmütigen Lächeln. Sie war ein hübsches Kind mit lockigen, braunen Haaren und bernsteinfarbenen Augen; ein wenig blass und sehr zart, aber scheinbar ging es ihr gut,sie wirkte gesund und das war wohl das Wichtigste. Zärtlichkeit überflutete sie, als sie sie so ansah. Nie hätte sie gedacht, dass sie dieses Kind, das aus einer erzwungenen sexuellen Beziehung stammte, einmal so sehr ins Herz schließen würde!
»Ich danke Ihnen, dass Sie auf Paula aufgepasst haben! Irgendwann, wenn der Krieg einmal zu Ende ist, werde ich mich dafür erkenntlich zeigen!«, versprach sie der mehrfachen Mutter gerührt.
»Aber das habe ich doch gern getan. In schlechten Zeiten muss man eben zusammenhalten. Und bei zwei Gören kommt es auf ein drittes auch nicht mehr an!«, antwortete die Frau augenzwinkernd. »Paula ist wirklich ein sehr ruhiges Kind.«
»Darf ich hier bei Ihnen warten, bis Herr Schwarz kommt?«
»Natürlich, aber ich kann Ihnen auch den Schlüssel für die Wohnung oben geben.«
»Nein danke!«, wehrte Magdalena ab. »Ich bleibe lieber da, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Gerne. Sie können ein bisschen auf die Kinder achtgeben. So kann ich in Ruhe das Essen vorbereiten. Sie haben doch sicher auch Hunger, nicht wahr?«
Magdalena nickte bescheiden und war glücklich, sich mit ihrer Tochter beschäftigen zu können, die sie scheu ansah und nicht wusste, was sie von der ihr fremd scheinenden Frau halten sollte. Bei dem sparsamen Mahl, das Frau Moritz wenig später auftrug, einer mit Wasser verlängerten und viel Mehl eingedickten Suppe aus weißen Rüben und
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