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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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hatte sie auf der primitiven Schlafstätte gebetet, für ihre Befreiung aus dem Keller und für alle, die sie liebte. Auch Gertraud hatte sie in dieses Gebet eingeschlossen. Ihr schauderte bei der Vorstellung, die Schwester könne vielleicht auf dem kalten Grund der Ostsee ruhen, während die Wellen über ihren stummen und starren Körper hinwegtrieben und ihn langsam auflösten. Nein, sie wollte noch nicht sterben, nicht hier, nicht jetzt und nicht mit ihrem Kind, für das sie erst jetzt mütterliche Gefühle entwickelt hatte. In diesem dunklen Keller unter der Erde – abgeschottet von der Welt, in einem Bereich schwebend, wo sie dem Tode so nahe war, begriff sie erst den Wert des Lebens und die Gnade, im Licht sein zu dürfen. Ihre Tochter im Arm, war sie bald tief eingeschlafen. Sie träumte, Paul sei da. Er saß in seinem Boot am Frischen Haff und winkte ihr zu. Sie eilte ihm entgegen, aber so schnell sie auch lief, umso weiter entfernte sich das Boot. Plötzlich war es auf der See ganz hinter dem Horizont verschwunden, und sie stand am Ufer und fühlte sich hilflos und allein. Schweißgebadet wachte sie auf und wusste erst gar nicht, wo sie sich befand. Ihre Wangen waren nass von Tränen, und ein Gefühl tiefer Hoffnungslosigkeit presste ihr Herz zusammen.
    Ein neuer, dringender Einsatzbefehl wegen eines Bombenschadens warf für die Pionierabteilung beinahe unlösbare Probleme auf. Paul erfuhr, dass im Keller eines eingestürzten Mietshauses sämtliche Bewohner eingeschlossen sein sollten. Es war leicht gewesen, die Leute des angrenzenden Hauses zu befreien, aber riesige Trümmer hatten die Zugänge zum Nachbargrundstückverschüttet. Es gab zwar Klopfzeichen, aber das Abräumen der meterhohen Mauersteine über der Unglücksstelle erwies sich diesmal bedeutend schwieriger als gewöhnlich. Durch ein Zusammenbrechen beider Häuser, bei dem sich der Schutt tonnenweise überlagert hatte und auch die Gasleitungen beschädigt worden waren, konnte es dauern, eine Verbindung zu den Verschütteten herzustellen. Und es stand vor allem die Frage im Raum, ob die Eingesperrten das so lange überleben würden. Mit Baggern und Bohrgeräten war bereits ein Großteil hinweggeräumt worden, und man versuchte nun, sich Zugang durch einen gegrabenen Tunnel zu verschaffen. Eine Eisenkonstruktion, die die Bauteile hielt, war jedoch so unglücklich ineinander verkeilt, dass man das Gewirr behindernden, rostigen Metalls kaum auseinander brachte.
    Nach Pauls Überzeugung blieb jetzt nur noch eine unterirdische Sprengung übrig. Der Einsatzleiter I, der mit seinen Männern die ganze Nacht gearbeitet hatte, war nahe daran aufzugeben und lehnte nach einer kurzen Absprache die Anbringung von Sprengsätzen kategorisch ab. Seiner Meinung nach würde die Statik nicht halten und alles wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Die beiden Männer prallten mit ihren gegensätzlichen Standpunkten heftig aneinander, ohne dass sie sich auf eine einzige Methode einigen konnten.
    Als Paul mit seinen Männern zur Ablösung wieder am Unglücksort eintraf, sah es zudem auch noch nach Regen aus. Ein scharfer Wind jagte die nebligen Wolkenfetzen über die zerstörte Stadt, deren verbrannte Häuserskelette wie Mahnmale nach einem Inferno in den Himmel aufragten. Er ließ seinen Blick über die Trümmerlandschaft vor ihm schweifen, und in diesem Augenblick war ihm ganz klar, dass die einzige Chance für die Verschütteten nur noch in einer sofortigen Sprengung der verbleibenden Geröllmassen bestand. Das Risiko einer Gasexplosion musste man dabei in Kauf nehmen. Ohne sich um die Entscheidungdes anderen Einsatzleiters zu kümmern, entschloss er sich, das Wagnis einzugehen. Er ließ mit den üblichen Arbeiten, dem Wegräumen des Schuttes und dem Ausheben eines seitlichen Tunnels beginnen, von dem aus er tiefe, dünne Schächte ziehen ließ, in die kleine Sprengsätze gefüllt wurden. Die ersten Sprengungen gelangen, und man konnte bereits einen Teil des Ganges mit Balken abstützen. Doch die Zeit drängte. War noch genügend Luft im Keller? Hielten die Gasleitungen, deren Verlauf nicht genau auszumachen war? Wie Marder gruben sich seine Leute mit den zur Verfügung stehenden Maschinen tief in den Boden hinein. Weitere, deutlich zu hörende Klopfzeichen von unten gaben Gewissheit, dass die Eingeschlossenen lebten. Doch in der letzten Phase, kurz vor den Sprengungen, begann es zu plötzlich zu regnen, ja es schüttete wie bei einem Wolkenbruch Wasser vom Himmel. Paul

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