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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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ließ weiterarbeiten, doch einige der Zünder wurden feucht und verpufften. Zudem war zu befürchten, dass der Regen die Erde im Tunnel aufweichen und das Ganze tatsächlich in sich zusammenzustürzen drohte. Sie mussten also schnell sein. Als sie eine Stelle erreicht hatten, die von der beschädigten Kellerwand nicht mehr weit entfernt war, und Paul gerade das Kommando zum Zünden eines stärkeren Sprengsatzes geben wollte, ertönte ein barsches »Halt! Zurück!«. Paul, von oben bis unten aus einer Mischung von Staub und Wasser verdreckt, drehte sich langsam um.
    »Sind Sie verrückt geworden, gegen einen ausdrücklichen Befehl und auf eigene Faust Sprengungen durchzuführen?«, schnauzte ihn der Kommandant, ein rechthaberischer Offizier, an. »Noch dazu bei diesem Regen! Der Einsatzleiter I hat mir aufgetragen, nach dem Rechten zu sehen. Und tatsächlich ertappe ich Sie dabei, dass Sie seine Weisungen missachten und eigenständig handeln!«
    »Aber wir sind doch schon fast durch!«, verteidigte sich Paul heftig. »Ganz nah an einer der Kellerwände …«
    »Unsinn, Sie Dummkopf«, der Offizier lief rot an. »Sehen Sie doch mal genau hin! Das wird alles durchweichen, einstürzen wie Pappkarton, bevor wir auch nur eine einzige Person befreit haben! Sie bringen die Männer, die hier arbeiten, in Gefahr. Schluss – aus, Sie sind ab sofort Ihrer Aufgabe enthoben! Haben Sie mich verstanden?«
    Paul nickte und schluckte den Fluch, der ihm auf der Zunge lag, hinunter. Wenn er dem Vorgesetzten widersprach, war ihm eine harte Strafe sicher. Er nahm Haltung an und räusperte sich. »Aber Herr Kommandant, wenn ich mir erlauben darf – es hat doch bisher alles reibungslos geklappt. Ich könnte es Ihnen beweisen, gerade jetzt im letzten Stück …«
    »Halten Sie endlich den Mund, Mann. Das übersteigt Ihre Kompetenz. Ich kann die Verantwortung für so einen Leichtsinn jedenfalls nicht übernehmen.« Er wandte sich an die Männer. »Alles zurück!«, schrie er mit Donnerstimme. »Pause bis morgen! Zu viel Risiko! Wir müssen auf das Eintreffen von schwerem Gerät warten.«
    »Ich fürchte, die Eingeschlossenen werden bis morgen nicht mehr genügend Sauerstoff zur Verfügung haben – außerdem haben wir oben das Problem einer defekten Gasleitung. Wenn sie bricht...«
    »Papperlapapp, hören Sie endlich auf, dummes Zeug zu schwatzen!«, brüllte der Offizier. »Mir reicht es. Zurück zur Kaserne. Ich wiederhole: Sie sind abgesetzt, vom Dienst suspendiert! Gehen Sie in Ihre Schreibstube zurück, dort sind Sie wahrscheinlich besser aufgehoben.«
    Bleich geworden, trat Paul zurück und nahm seinen Helm ab.
    Die abgearbeiteten Männer trotteten gehorsam herbei, wischten sich den Schweiß von der Stirn und verstanden nicht, warum sie so kurz vor dem Erfolg des Unternehmens abbrechen mussten.
    »Scheißkerl«, murmelte einer von ihnen zwischen den Zähnen, mit einem giftigen Blick auf den Offizier, während er mit den anderen auf dem Einsatzwagen Platz nahm.
    Paul war wie vor den Kopf geschlagen. Aber es war müßig, sich über die Wichtigtuer zu wundern, die dieser Krieg hervorgebracht hatte und die ihn als Vorwand nahmen, ihre Macht zu demonstrieren.
    Lange lag er am Abend auf seiner Pritsche in dem einfachen Zimmer, das er allein bewohnte, ohne schlafen zu können. Er war müde und erschöpft und dachte an die Eingeschlossenen, die umsonst auf Hilfe warteten. Wozu weiterkämpfen, überhaupt noch etwas tun? Für wen? Etwa für solch aufgeblasene Idioten wie dieser Kommandanten heute? Der Krieg war verloren, das war klar. Es konnte nicht mehr lange dauern, dann marschierten die Russen ein, und das ganze Luftgebilde des großen Kampfes brach zusammen. Sie würden Kriegsgefangene machen, ihn vielleicht nach Sibirien verschleppen, zur Zwangsarbeit in unmenschlichen Lagern, von denen er schon hatte reden hören. Berlin war eine Ruine geworden, wie die meisten deutschen Städte – und Königsberg, seine Heimat, bestand nicht mehr …
    Sein Verstand riet ihm, zu fliehen, wegzugehen, sich irgendwo zu verstecken, bis Friede war und die menschliche Vernunft wiederkehrte. Leise stand er auf, ging auf Zehenspitzen über den Gang und holte sich die Schlüssel zur Schreibstube aus einer besonderen Schublade des Offiziersraums. Nach kurzem Zögern schlüpfte er in die Jacke eines Oberleutnants, die, frisch aus der Reinigung, in der Ecke auf einem Kleiderbügel hing. Er setzte die Kappe auf und legte sich die Hose über den Arm, bevor er

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