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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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leise, ohne Licht zu machen, in die Schreibstube schlich, das wohlbekannte Knarren der Tür sorgsam vermeidend. Er zog aus der Schublade die Vordrucke der Marschbefehle, den Heimaturlaubsschein und stellte sich selbst einen Auftrag für eine Kurierfahrt des Verteidigungsbereiches aus, der ihm Vollmacht gab,alle Ausbildungsverbände von Panzertruppen an die Fronten zu schicken. Als Grund gab er an: Der Vormarsch der Alliierten sollte aufgehalten werden. Sorgfältig füllte er die Formulare aus und setzte seinen Namen hinein. Nun noch der abschließende Stempel und die gefälschte Unterschrift des Kommandanten, die er bereits Hunderte Male auf Dokumenten gesehen hatte. Als Letztes nahm er noch die Schlüssel des Dienstwagens an sich, der gerade erst von der Reparatur zurückgekommen war. Er war vollgetankt, wie er wusste, und stand draußen im Fuhrpark. Dann ging er zurück und legte sich wieder hin. Er wollte lieber noch zwei Stunden warten, bis die Wachablösung kam. Um diese Zeit war die Tür für kurze Zeit offen, und es gab sicher einige Minuten der Unachtsamkeit, in denen die Posten während der Übergabe über die Vorkommnisse des Dienstes sprachen. Da würde er sich leichter davonschleichen können.
    Er blieb hellwach, wobei ihm die unbekannten Verschütteten nicht aus dem Kopf gingen und er über verschiedene Methoden zu ihrer Rettung nachzugrübeln begann. Ihm war völlig klar, dass er es nicht über sich bringen würde, sie ihrem Schicksal zu überlassen, wo er doch genau wusste, dass sie nur noch ein einziges mit Eisenstangen verkeiltes Betonstück und ein bisschen Erde von der Freiheit trennte. Aber wie sollte er ihnen helfen? An das Dynamit oder andere Sprengsätze kam er jetzt nicht mehr heran. Das war alles zu gut verschlossen. Er stand auf und betrachtete lange die Handgranaten in seinem Spind. Sollte er es damit versuchen? Wie oft hatten sie im russischen Winter Kettenfahrzeuge mithilfe von Handgranaten aus dem steinhart gefrorenen Boden raus geholt. Es hatte immer tadellos funktioniert. Sein Herz klopfte. Es war ein Risiko, doch seine Entscheidung stand fest. Er zog sich an, packte zwölf Handgranaten in seinen Tornister und legte eine Taschenlampe dazu.
    Dann klappte alles genauso, wie er es sich vorgestellt hatte. Bei der Wachablösung verschwand er unbemerkt und startete draußenden offenen Wehrmachtswagen. Der Regen hatte aufgehört, aber die Straßen waren nass. Er musste Umwege fahren, aber er kannte ja schließlich den Weg.
    An der Einsturzstelle, die in völliger Dunkelheit lag, stellte er den Motor ab, knipste seine Taschenlampe an und kletterte über die Schuttberge und Krater, die die Bomben hinterlassen hatten. Dort, am Eingang des Tunnels, hockte eine Gestalt, die verwirrt ins Licht der Taschenlampe blinzelte. »Wer da?«, rief Paul, der im ersten Moment glaubte, man habe irgendjemanden als Wache dort abgestellt. »Hände hoch!«
    Der Angesprochene, ein junger Mann, erhob sich langsam. Er blieb ruhig stehen, ohne etwas zu sagen.
    »Was machen Sie da?«
    »Das Gleiche könnte ich Sie auch fragen«, war die lakonische Antwort. »Ich wohne hier – das heißt, ich habe mal hier gewohnt. Jetzt ist alles weg … « Er machte eine rundum greifende Handbewegung. »Wahrscheinlich habe ich großes Glück gehabt. Ich hatte Nachtdienst, als die Bombe einschlug …«
    »Wer sind Sie überhaupt?«, fragte Paul immer noch misstrauisch.
    »Ich heiße Willi Schwarz und arbeite bei der Radarüberprüfung und Abwehr. Aber stellen Sie sich vor, ich hab grade Klopfzeichen gehört. Die da drinnen leben bestimmt noch. Ich versteh nicht, dass man nichts mehr macht, dass hier nicht Tag und Nacht gegraben wird!«
    »Es wurde die ganze Zeit gegraben. Das sehen Sie ja!«
    »Wenn ich mir vorstelle, dass die da unten eingesperrt sind!« Der junge Mann seufzte. »Es gibt da eine Frau … die ich sehr verehre, verstehen Sie? Es ist die Mutter eines kleinen Mädchens – sie ist verreist, und ich habe ihr versprochen, auf das Kind aufzupassen. Die Nachbarin hat sich darum gekümmert. Und jetzt... jetzt ist es wohl da unten!« Er sprang auf. »Diese Vorstellung ist einfach unerträglich, verstehen Sie ? Was soll ich bloß sagen, wenndie Mutter die Kleine abholen will? Glauben Sie, dass … alle im Keller überlebt haben?« Er sah ihn ängstlich an.
    »Das kann Ihnen niemand sagen.« Paul schüttelte den Kopf. Ihm war plötzlich eine verrückte Idee gekommen. Den Mann hatte ihm wirklich der Himmel geschickt! »Aber

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