Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
sie Hanna hastig, als sie die Angst in ihren Augen sah. »Aber hier, in diesem Zimmer könnt ihr natürlich nicht bleiben! Das würde auffallen. Lass mich überlegen!« Eine Stille entstand, in der niemand etwas sagte und nur die raschen, ängstlichen Atemzüge Hannas zu hören waren, die mit geschlossenen Augen totenbleich und zusammengesunken auf der Bettkante saß.
»Das Einzige, was mir im Augenblick einfällt, ist der Dachboden«, begann Magdalena unsicher. »Dort oben ist ein Kämmerchen mit einem Tresor, in dem Wertsachen und Papiere hinterlegt sind. Alles ist angefüllt mit altem Gerümpel – es ist eng, aber es gibt wenigstens ein Dachfenster! Da könntet ihr bleiben – vorläufig, bis wir Näheres wissen. Dahinter ist auch noch ein Hohlraum – für den Notfall. Ich bringe euch zu essen – und alles, was ihr braucht. Aber ihr müsst sehr leise sein – niemand darf auch nur ahnen, dass ihr hier seid. Versprich es mir, Hanna! Du musst gut auf Jakob aufpassen, damit er nicht schreit oder laut ist.«
Hanna nickte, verzweifelt krampfte sie die Hände zusammen. »Ach Magdalena, in welcher Zeit leben wir bloß! Was wird aus Mama werden, wohin bringt man sie? Sie ist ja nicht gesund!«
»Das kann ich dir nicht sagen. Aber du musst jetzt an dich und deinen Bruder denken. Deine Mutter würde es nicht anders wollen, hörst du!« Rasch packte sie Decken und Sofakissen zusammen und suchte Kleidungsstücke aus ihrem Schrank heraus. »Hier! Das muss für heute Nacht genügen.«
Der kleine Jakob stöhnte im Schlaf, dann schlug er die Augen auf. »Durst, Durst!«, rief er. Hanna legte ihm die Hand auf den Mund. »Psst, Jakobchen, sei ganz still. Du kriegst gleich was.«
»Wartet auf mich, aber rührt euch nicht!« Magdalena schlich barfuß in die Küche hinunter und packte in einen Korb Brot,eine Kanne mit Wasser, der sie etwas selbst gemachten Holundersirup hinzufügte. Dann nahm sie noch einen großen Putzeimer und trug alles, leise ihre Schritte auf die Treppenstufen setzend, hinauf bis zum Dachboden. Aber wie sollte sie bloß die Luke geräuschlos öffnen und herabziehen, deren Ring weit oben nur mit einem langen Stab mit Haken zu erreichen war? Wie lange war man dort schon nicht mehr hinaufgestiegen? Eigentlich war es ein ideales Versteck – und für Hanna würde es sicher nicht für lange sein!
Behutsam stocherte sie mit dem Holzstab an dem verrosteten Eisenring herum, der sich beim besten Willen nicht von der Stelle bewegen ließ. Es fehlte ihr einfach die Kraft, und sie stellte fest, dass sie unbedingt die Hilfe einer zweiten Person brauchte, um die Luke mit der Leiter herabzuziehen. Leise stieg sie die Treppen wieder herunter, an Gertrauds Zimmer vorbei, in dem glücklicherweise alles ruhig blieb.
»Hanna, komm mit – du musst mir helfen, die eingerostete Luke zu öffnen!«
Hanna warf einen Blick auf den schlafenden Jungen. Konnte sie ihn hier für ein paar Minuten allein lassen? Was wäre, wenn er wieder aufwachte und begänne zu schreien? Sie musste das Risiko eingehen. Sie folgte Magdalena, die vorsichtshalber das Zimmer hinter sich abschloss, auf den Dachboden, und gemeinsam schafften sie es, die unangenehm knarrende Dachluke Stück für Stück herunterzuziehen. Hanna kletterte ein paar Sprossen empor und nahm die Decken und den Eimer mit den Vorräten entgegen. Auf halbem Wege nach unten hörten sie, wie der allein gelassene Jakob plötzlich aus Leibeskräften zu rufen und zu weinen begann und gegen die verschlossene Tür klopfte. Magdalena schob Hanna in ihr Zimmer, schloss hinter ihr ab, schwang sich über den Handlauf nach unten und war in der nächsten Minute im Wohnzimmer, am Radioempfänger. Sie drehte ihn bis zum Anschlag auf und schraubte an ihm herum, bis dass dasKrächzen, Quietschen, die Teile von Stimmen und Musikfetzen schier unerträglich laut herausdröhnten und das ganze Haus mobil machten. Oben hatten sich schon die Schlafzimmertüren geöffnet, und die Erste, die unten neben ihr stand, war Gertraud.
»Bist du jetzt ganz übergeschnappt?«, schrie sie und hielt sich die Ohren zu. »Was machst du denn mitten in der Nacht für einen Krach?« Auch Theo kam verschlafen herbeigewankt, tippte sich an die Stirn, während Oma Louise ihr zerknittertes Gesicht durch die Tür steckte und versuchte, ihre Brille aufzusetzen.
Nur Mama schlief offenbar so fest, dass sie nichts hörte.
»Magdalena! Was ist denn in dich gefahren?«, rügte Louise, die das Radio energisch abstellte und
Weitere Kostenlose Bücher