Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
sie streng durch die schief sitzenden Brillengläser ansah. Die plötzliche Stille sauste ungewohnt in den Ohren.
»Ich … ich konnte nicht schlafen«, Magdalena stellte sich zerknirscht, »mir … mir war nicht gut. Ich hab mir wohl den Magen verdorben, und da dachte ich, ich schaue mal, was im Radio ist. Aber es war wohl falsch eingestellt, und als es so laut wurde, habe ich nicht gleich den richtigen Knopf gefunden …«
»So ein Unsinn«, die Großmutter schüttelte den Kopf, »jetzt nimmst du mal Bullrichsalz und gehst wieder zu Bett. Ich mache dir eine Wärmflasche – da wird es dir sicher bald besser gehen!«
»Die spinnt doch!«, rief Gertraud erbost. »Die ganze Zeit rumort sie schon im Haus herum, und zwar so laut, dass ich nicht schlafen kann!«
»Halt den Mund, du Schlafmütze!«, fauchte Magdalena die Schwester an. »Steck dir doch Watte in die Ohren, wenn du so empfindlich bist!«
Mit einem giftigen Blick verschwand Gertraud wieder in ihrem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
Louise machte sich in der Küche zu schaffen, und als sie mit der Wärmflasche herauskam, war Hanna mit ihrem kleinenBruder im Arm bereits in fliegender Eile über die Luke auf den Dachboden geklettert. Sie hatte sich den Lärm zunutze gemacht und die quietschende Leiter so weit wie möglich hochgezogen. Doch ein deutlich sichtbarer Spalt blieb bestehen. Magdalena hatte sich mit der Wärmflasche und dem Bullrichsalz gehorsam in ihr Zimmer begeben und lauschte nun darauf, dass im Haus wieder alles ruhig wurde. Ihr Herz klopfte wie wild vor Angst, dass Gertraud oder Theo die noch halb offene Dachluke bemerkten. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als noch einmal hinaufzuschleichen und sie ganz zu schließen!
Es klopfte leise an ihre Tür, und Magdalena sprang erschrocken mit einem Satz ins Bett. Louise trat ein, setzte sich zu ihr auf den Bettrand und sah sie mit ihren hellen Augen hinter den runden Brillengläsern kritisch an. »Fühlst du dich jetzt besser, Kind? Gibt es etwas, was du mir sagen möchtest?«
»Nein, Omi, wirklich nichts! Aber mir geht es wie Mama – ich kann das mit Lutz nicht vergessen. Nachts muss ich immer daran denken, und dann ist es mit dem Einschlafen vorbei, oder ich habe schlechte Träume. Warum musste er bloß so früh sterben?«
»Was für eine dumme Frage!« Louise drehte den Kopf zur Seite, damit man nicht sah, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. »Ich kann sie dir nicht beantworten. Auch für mich ist das sehr schwer zu begreifen. Er war mein Liebling. Aber er hat sein Vaterland verteidigt und ist dabei gefallen. Wir müssen uns damit abfinden.« Sie betupfte sich mit dem Taschentuch den Augenwinkel. »Du solltest heiraten, meine Kleine!« Sie nahm Magdalenas eiskalte Hand. »Dann kämst du auf andere Gedanken.«
Magdalena machte eine abwehrende Bewegung, und die Großmutter fuhr fort. »Ich weiß ja, du hast nur diesen Paul im Kopf! Aber diese Kleinbürgerfamilie, die Mutter, die von Tür zu Tür rennt, um ihr Papier zu verkaufen – so etwas ist doch nichts für dich!« Sie zog indigniert die Augenbrauen hoch. »Glaub mir!Dieser von Treskow dagegen … so einen würde ich mir für dich wünschen! Ein aufrechter, gerader Charakter aus guter Familie! Mutig, stolz und …«
»... langweilig!«, setzte Magdalena rasch hinzu und richtete sich gerade im Bett auf. »Niemals! Ich empfinde nichts für ihn und werde es nie tun. Von mir aus kann Gertraud ihn ruhig haben. Ich heirate nur aus Liebe und keinen anderen als Paul!«
»Liebe!« Luise lachte in einem Ton auf, den Magdalena noch nie an ihr gehört hatte. »Liebe – was ist das schon! Ein kurzer Moment Glückseligkeit und ein Leben lang Enttäuschung!«
»Bei mir und Paul nicht! Da bin ich ganz sicher!«, sagte Magdalena eigensinnig und warf sich auf die Kissen zurück.
»Ich weiß schon – wie könnte es auch anders sein!«, die Großmama seufzte nachsichtig. »Du hast den Dickschädel von mir geerbt. Ich wollte auch nie hören – bis ich fühlen musste!« Sie zog die Decke über Magdalenas Schultern. »Gute Nacht, Lena. Schlaf jetzt. Und träum diesmal etwas Schönes!«
Sie zog die Tür hinter sich zu und Magdalena horchte auf ihre schleppenden Schritte auf der Treppe. Dann sprang sie wieder auf und lief nach oben. Leise auf einen Fußschemel steigend, drückte sie aus Leibeskräften gegen die Luke, während Hanna von oben zog. Schließlich versetzten sie der Holzklappe noch einen kräftigen Schubs, bis sie
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