Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
mit der sie sich umgab, wie eine brüchige Eierschale einzuknicken drohte und sie nur noch den Wunsch hatte, sich fallen zu lassen. Einmal sich hingeben, an seine Brust sinken, sich von seinen Armen umfangen lassen; seine Hände überall auf ihrem Körper zu fühlen und ihren Mund auf seine fordernden Lippen zu pressen …
Wenn Fjodor auch nur im Entferntesten ahnen würde, welch unsinniges und närrisches Begehren sie plötzlich plagte, er würde sie umbringen! Er war ein Bär von Mann, kräftig und praktisch visierte er sein Ziel an. Ihre Intelligenz, ihren Ehrgeiz und auch die für eine Frau so seltene Härte hatte er immer bewundert. Auch sie war immer stolz darauf gewesen, dass sie sich niemalsvon Gefühlen leiten ließ. Diese Eigenschaft, verbunden mit blindem Gehorsam und einer angeborenen Kälte des Gewissens, die vor Grausamkeiten nicht zurückschreckte, waren Grund genug gewesen, dass sie von den Genossen in Moskau für die Rolle einer Agentin ausgewählt worden war. Deshalb hatte man auch in sie investiert, sie in Hamburg studieren und sich die Sprache aneignen lassen. Immer hatte sie große Genugtuung darüber empfunden, für den Geheimdienst zu spionieren, denn ihr Hass auf die Deutschen, die ihren Vater ermordet hatten, ging tief. Der Offizier, dessen Uniform sie trug, hatte ihre Rache am eigenen Leib zu spüren bekommen – dieser Idiot! Es war ihr Auftrag, ihn zu benutzen, auszuhorchen und dann, wenn er unnütz geworden war, zu erschießen. Nichts hatte es ihr ausgemacht, gar nichts, ihn eigenhändig, ohne Gewissensbisse in ein Loch zu werfen! Tausende russische Soldaten ereilte bei den Deutschen das gleiche Schicksal, Tausende aus ihrem Volk mussten leiden und sterben!
Und gerade deshalb durfte sie nicht nachgeben, auch wenn diese gefährliche, unangebrachte Schwäche für den deutschen Soldaten nahezu übermächtig wurde und ihre Seele zu erweichen drohte! Der Gefangene hatte geredet, ihr alles gesagt und aufgezeichnet, was er wusste. Und sie war sich genau darüber im Klaren, was sie jetzt mit ihm tun musste, auch wenn ihr allein schon der Gedanke daran tief ins Herz schnitt. Sie ballte die Faust, um sich Stärke zu verleihen, doch ihre Hände zitterten, irgendetwas Feuchtes rann plötzlich über ihre Wangen. Tränen? Seit ihrer Kindheit hatte sie nicht mehr geweint. Ärgerlich wischte sie sie fort – doch es wurden mehr, eine nach der anderen strömte herab, ihr Mund verzog sich zu einer Grimasse, und sie schlug die Hände vor die Augen und versuchte vergeblich, das heftige Schluchzen, das tief aus ihrem Innern heraufstieg, zu unterdrücken.
Ein leises Geräusch, Flüstern vor der Tür und Schritte der Wachen, die sich entfernten, schreckten Paul mitten in der Nacht von seiner Pritsche. Ein Schlüssel rasselte im Schloss, die schwere Tür ging auf, und Anouschka stand vor ihm. Sie zitterte am ganzen Körper, und ohne ein Wort warf sie sich nur mit einem unterdrückten Stöhnen an seine Brust und küsste ihn mit unerwarteter Leidenschaft. Paul war verwirrt, er nahm den Kopf der jungen Frau in beide Hände und sah sie an. »Anouschka! Weißt du, was du da tust?«
»Es ist mir egal!« Ihre Stimme klang schluchzend, weich und samtig. »Noch nie habe ich so empfunden. Mir ist, als sei ich erwacht, als sei mein bisheriges Leben nur ein Gehorchen gewesen, ein Funktionieren im Lager der Bolschewisten! Aber jetzt weiß ich, was ich will«, ihre Augen brannten sich in die seinen. »Dich – nur dich!« Sie bedeckte sein Gesicht mit kleinen Küssen und murmelte: »Vielleicht bin ich jetzt erst eine Frau geworden, erwacht aus einem langen, leblosen Schlaf, in dem mein ganzes Fühlen unter Pflicht und Gehorsam begraben war! Lieber will ich tot sein, als so weiterzuleben!«
In Pauls Kopf überschlug sich eine Vielzahl von Überlegungen und Empfindungen. Jetzt kam es darauf an, ob er es schaffte, Anouschka von seiner Liebe zu überzeugen, damit sie keinen Verdacht schöpfte. Angst und Unsicherheit wechselten mit seinem Lebenswillen zu entkommen und dem körperlichen Begehren, Anouschka zu besitzen und sie zu bezwingen. Er wusste, dass es keinen Kompromiss für ihn gab, als er die schöne Russin an sich presste und ihr zärtliche Worte ins Ohr murmelte. Das, was die sonst so unerbittliche Spionin im Rang eines russischen Offiziers da tat, war Wahnsinn, Wahnsinn für sie – aber für ihn die Rettung aus einer Lage, die unweigerlich seinen Tod bedeutete! Nur noch ein ganz flüchtiger Gedanke an
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