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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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Zutiefst erschöpft blieb er im feuchten Ufersand eine geraume Zeit liegen, dann kroch er vorwärts, wegen möglicher Minen immer einen Stein vor sich her werfend. Der von der aufgehenden Sonne leicht erwärmte Sand war weich, und er tastete sich zu einem Busch, hinter dem er, nur halb bei Bewusstsein, liegen blieb.
    Er spürte, wie sich jemand über ihn beugte und schrak hoch.
    »He, bist du verletzt, Kumpel?«, fragte leise eine Stimme. Im fahlen Licht des Tages sah er das Gesicht eines deutschen Landsers, einer der Kameraden, die mit ihm im Boot gesessen waren.
    Langsam schüttelte er den Kopf. »Soweit in Ordnung, glaube ich. Und du?«
    »Es geht. Bin froh, dass ich noch lebe. Wir haben Glück gehabt. Die anderen aus dem Boot hat es wahrscheinlich erwischt! Ich hab nur einen leichten Treffer abgekriegt!« Er wies auf sein Bein, das durch die Hose geblutet hatte. »Ist nicht so schlimm, wie es aussieht, wahrscheinlich ein Steckschuss. Immerhin konnteich noch weit genug schwimmen! Übrigens, bist du nicht der Neue, der Paul – der bei den Russen gefangen war?«
    »Ja, und du heißt Hans, wenn ich nicht irre?« Er musste husten und spuckte einen Schwall Salzwasser aus.
    »Genau. Aber ich habe keine Ahnung, wie wir hier wieder wegkommen. Da hinten ist der Teufel los – aber hier …«, er wies auf Stacheldrahtverhaue, spanische Eisenigel und zusammengeschweißte Eisenbahnschienen, die den Zugang zum Strand absperrten, »sieht es auch nicht besser aus!«
    »Ja, kann man wohl sagen. Gewehr haben wir auch keins mehr … psst!« Beide warfen sich wieder hinter den Busch und gruben sich in den kiesigen Sand. Ein russischer Soldat, die Waffe nach allen Seiten drehend, näherte sich dem kleinen Strand. Doch er war so abgelenkt von dem Feuerwerk, das sich auf dem nicht weit entfernten »Tartarenhügel« abspielte, dass er die beiden Gestrandeten nicht bemerkte. Er trat nahe ans Ufer und sah übers Meer. Paul packte einen scharfkantigen Stein in seiner Nähe und kroch langsam durch den Sand. Mit einem Satz warf er sich so heftig auf den überraschten Russen, dass beide zu Boden stürzten. Ein kurzer Schlag auf den Kopf genügte, um ihn kampfunfähig zu machen und ihm die Pistole aus dem Koppel zu ziehen. Er winkte Hans, und sie rannten los, einen schmalen, markierten Pfad entlang, von dem sie hofften, dass sie dort vor Minen geschützt waren. Um die Stacheldrahtverhaue zu meiden, schlug Paul vor, über die Felsen nach oben zu klettern. Schnaufend folgte ihm Hans, der sich über sein Bein beklagte und darüber, dass er nicht schwindelfrei sei.
    »Schau immer nach vorne – nie nach unten!«, rief ihm Paul stoßweise atmend zu. Es war anstrengend, sich Schritt für Schritt über die grauen Felsen zu tasten, höher und höher zu steigen. An gefährlichen Passagen reichte er dem Kameraden die Hand und zog ihn vorwärts, bis sie die erste Anhöhe mit einem kleinen Plateau erreicht hatten. Weiter oben sah man schon die öde, trockene Steppenlandschaft mit dürren Sträuchern. »Wir müssen ganz hinauf, es ist die einzige Möglichkeit, wieder zu den Unseren zu kommen«, keuchte Paul. »Die Russen sind jetzt alle hinten am Panzergraben, dort, wo der Angriff stattfindet.« Er bückte sich nach einem festen Stock zum Aufstützen, und als er den Kopf hob, blickte er geradewegs in das grinsende Gesicht eines russischen Soldaten, der gerade auf ihn anlegte.
    Über der Stadt Königsberg stand eine freundliche und heitere Frühlingssonne und das Leben schien seinen Gang zu gehen wie eh und je, und genauso, als würde dieser Krieg die blühende Stadt gar nicht berühren. Doch das heimliche Gespenst der Kontrolle, der Überwachung, der Ausführung von Befehlen, deren Sinn unverständlich blieb, war unsichtbar präsent. Die übermächtige Gestapo-Stelle im Land, das Polizeipräsidium in Kassel, sandte immer wieder Befehle an das Kommissariat in Königsberg und ins Quednauer Internierungslager. Diese Institution war es auch, die die Verschickung der in der Stadt lebenden Juden in ein polnisches Lager angeordnet hatte. Das Netz der Überwachung zog sich immer fester zusammen. Jeder Gegner des Regimes wurde nun schon bei dem geringsten Verdacht des Ungehorsams unbarmherzig verhaftet und verhört. Auch in Königsberg fügte man sich deshalb den obersten Befehlen, die im Land angeblich für Recht und Ordnung sorgten und mit denen man als Nächstes auch die umherziehenden Zigeuner ausrotten wollte, die man vorläufig am Rande der Stadt

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