Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
Stirn stand. Unter ihm, im Schwanken des Bootes, schäumte das unheimlich bläulich brodelnde Wasser, das alle Bootsinsassen, von nur einem einzigen Geschoss getroffen, unerbittlich hinab in die nasse, kalte Tiefe auf den Meeresgrund reißen würde. Keiner sprach oder flüsterte, schweigend taten alle ihre Pflicht, ruderten mit keuchenden Lungen gegen die Strömung, was das Zeug hielt. Paul sandte ein Stoßgebet zum Himmel. Er hatte Magdalena ein Wiedersehen versprochen – vor allem aber, heil zurückzukommen! Seine Muskeln spannten sich zum Zerreißen – jeder Zentimeter vorwärts kostete unendliche Kraft. Den Männern lief jetzt der Schweiß in Bächen über das Gesicht, doch der scharfe, böige Wind trocknete ihn sofort. Immer noch hatten die russischen Späher sie nicht bemerkt. Würden sie es schaffen, schnell genug zu sein, bevor der graue Morgen aufzog und sie sichtbar machte? Aus der Ferne sah man jetzt am Himmel Flugzeuge heranbrausen, das Geschwader des 8. Flieger-Korps General von Richthofens. Ein Ablenkungsmanöver für den Feind, für sie das Zeichen, im Getöse die Motoren der Boote anzulassen, um schneller an Land zu kommen! Die Jäger fegten durch die Luft und warfen unaufhörlich Bomben ab, um die Geräusche am Nordufer der Bucht zu überdecken. Paul sah zum Himmel hinauf und grüßte in Gedanken die ehemaligen Kameraden. Die leise Wehmut, die ihn beim Anblick der Sturzkampfbomber erfüllte, lenkte ihn nur kurz von seiner schwerenAufgabe ab. Die Motoren der Boote dröhnten nun los, sie rauschten vorwärts, und die Fliegerstaffel mit ihrer Bombenlast und die heulenden Stukkas überdeckten alles mit ihrem infernalischen Lärm. Nun war die Spannung kaum mehr zu ertragen, mit der sie sich unaufhörlich dem Panzergraben von der anderen Seite her näherten. Der Feind hatte glücklicherweise noch nichts bemerkt, doch nun dämmerte der Morgen grau über dem Meer herauf, machte alle Umrisse sichtbar. Die Gefahr der Entdeckung wuchs zusammen mit der Angst, in letzter Minute doch noch auf dem kalten Meeresboden versenkt zu werden. Sie kamen nun schnell vorwärts und der waghalsige Sprung über die Meeresbucht schien fast vollständig geglückt, als die sowjetische Abwehr erkannte, was sich da hinter ihrem Rücken auf den Wellen der in sanftem Morgenglanz liegenden See abspielte.
Die Landung einiger Boote war bereits gelungen, als zwei russische Jäger versuchten, aus der Luft einzugreifen. Mit einem Schlag peitschten und krachten die Einschläge aus Fliegerbordwaffen in die aufgewühlte See, und das letzte Boot, in dem Paul saß, fing Feuer. Er hörte Schreie, einige seiner Kameraden waren getroffen, aber es war unmöglich, ihnen zu Hilfe zu kommen. Das Boot hatte sich auf die Seite gelegt, die Flammen loderten hell, und die Gefahr bestand, dass es mit seiner geladenen Munition jeden Augenblick explodierte. Ohne nachzudenken, sprang Paul kopfüber ins Wasser. Das Ufer war nicht mehr weit entfernt, und auch wenn er kein guter Schwimmer war, konnte er es vielleicht mit den anderen, die es ihm gleich taten, erreichen. Doch die Brandung erfasste ihn und trieb ihn wie mit einem Sog durch die Wellen. Als er, nach Luft ringend, den Kopf wieder aus dem Wasser bekam, sah er sein Boot unweit von ihm mit einem lauten Feuerball explodieren. Die Druckwelle nahm ihm erneut den Atem, er kämpfte verzweifelt mit den Wellen, die ihn von der Landzunge abzutreiben drohten. Um ihn herum schien die Welt unterzugehen, und der graue Morgen war zerrissen vonFeuer und Rauch, scharfem Zischen, ohrenbetäubenden Detonationen und aufspritzenden Wasserfontänen der Einschläge. Er trieb als Spiel der Wellen irgendwohin und versuchte nur, von Zeit zu Zeit an die Wasseroberfläche zu gelangen, bevor ihn die hochgehende Brandung wieder verschlang. Wie durch ein Wunder gelang es ihm, unbehelligt durch die Hölle des Bombardements in Ufernähe zu schwimmen. Aber das Wasser war kalt, und er spürte schon, wie ihn die Kräfte langsam verließen. Dann, als er schon begann, Salzwasser zu schlucken, geriet er plötzlich in eine seichtere Strömung, die ihn landwärts an die Küste in eine ruhige Bucht schwemmte. Er legte sich, halb ohnmächtig vor Kälte und Anstrengung, auf den Rücken und ließ sich durch die sanfter gewordene Brandung ans Ufer tragen. In diesem Moment dachte er nicht daran, was ihn an Land wohl erwarten würde, obwohl ihm klar war, dass er dem Feind in die Hände fallen konnte, sobald er einen Fuß auf festen Boden setzte.
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