Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
etlichen unvermeidlichen Gläsern des selbst gebrauten Schnapses heimlich das Haus, nahm den Wagen und fuhr davon, um die Garnison zu suchen.
Der Hauptmann der deutschen Kompanie lauschte dann verwundert seiner schier unglaublichen Geschichte, seiner Gefangenschaft im Felsenbunker, der er wie durch ein Wunder entkommen war. Natürlich erwähnte Paul mit keinem Wort seineBegegnung mit Anouschka, die er nun ihrem Schicksal überlassen musste. Aber er hatte kein Mitleid – seiner Einschätzung nach würde eine Frau wie sie überall durchkommen.
Der Befehlshabende, der zunächst noch einige Zweifel an seiner abenteuerlichen Erzählung hegte, sandte sofort einen Funkspruch zum Hauptquartier, das seine Aussage bestätigte, er sei der vermisste Kradmelder Paul Hofmann, den man tot oder in russischer Gefangenschaft glaubte.
Nahtlos reihte man ihn gleich unter die Soldaten der Truppe ein, denn jeder Mann wurde gebraucht. Die Vorbereitungen zur Eroberung der angeblich uneinnehmbaren Festung von Sewastopol liefen bereits auf vollen Touren. Der Großangriff sollte sich vorerst vor allem auf die Sapun-Höhen und die Sswernaja-Bucht konzentrieren – aber es war von einer besonderen Aktion die Rede, einem Spezialfall, der vorerst noch geheim gehalten wurde.
Anouschka, von dem reichlich genossenen Rübenschnaps des Tartarenbauern benebelt und in gelöster Stimmung, bemerkte erst spät, dass Paul schon seit geraumer Zeit fort war und nicht wieder erschien. Sie wurde langsam unruhig, wartete noch eine Weile, sah immer wieder zu der niedrigen Holztür und brachte bald keinen Bissen mehr herunter. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und lief hinaus. Die Nacht war dunkel, ruhig und sternenklar. Hinten, im Schatten des Gebüschs war der Wagen verschwunden. Es war, als steche ihr jemand ein Messer mitten ins Herz. Er war fort! Sie hastete zu dem barackenartigen Verschlag, in dem sie die Nacht verbringen wollten. Seine deutsche Uniformjacke, die dort gelegen hatte, war nicht mehr da und die Russische lag zusammengeknüllt am Boden. Anouschka stieß einen unterdrückten Laut zwischen Wut und Schmerz aus, der begleitet wurde von einem Schwall russischer Flüche und Verwünschungen. Es fiel ihr schwer zu begreifen, dass der Mann, für densie alles aufs Spiel gesetzt hatte, den sie grenzenlos liebte, sich so einfach aus dem Staub gemacht, sie getäuscht und verlassen hatte! Ein brennendes Gefühl der Rache stieg in ihrem Herzen auf, das sich bisher so unverwundbar und gefühllos glaubte! Sie würde ihn finden, wo auch immer er sich aufhielt! Wutentbrannt packte sie das in ihrem Gürtel verborgene Messer und stieß es so lange in die weiche Erde, bis sie keuchend innehalten musste. »Das wirst du mir büßen, du falscher Hund!«, keuchte sie. So würde sie ihn treffen, wenn er noch einmal vor ihr stünde, ihm die verräterischen blauen Augen auskratzen, ihm den Schädel einschlagen! Vernichten wollte sie ihn – das schwor sie sich in diesem Moment, während sie ihre Hände um einen dicken Ast krallte, als müsse sie prüfen, ob sie stark genug seien, ihn damit zu erwürgen! »Betrüger – Lügner! Aber ich finde dich!«, stieß sie hasserfüllt hervor, »wo du auch bist! Und wenn ich selbst dabei draufgehe!« Erschöpft schluchzend wie ein enttäuschtes Kind brach sie schließlich am Fuß des Baumes zusammen.
Paul hatte dem Hauptmann der Kompanie eine genaue Schilderung seiner Gefangenschaft im russischen Bunker tief im Felsen der Küste gegeben – und auch, wie es ihm gelungen war, von dort zu fliehen. Auf einem Blatt Papier begann er noch in der Nacht, aus dem Gedächtnis Zeichnungen von der Umgebung, den versteckten Widerstandsnestern und Minenfeldern anzufertigen und deren Lage, so gut es ging, zu bestimmen. Der Hauptmann erkannte sogleich, dass Paul durch seine ausgezeichneten Geländekenntnisse hervorragend dafür geeignet war, sich in vorderster Linie zu bewähren. Per Funkspruch gab er alle Informationen durch, die er von ihm erhalten hatte. Dennoch würde es ein schwieriges Unternehmen werden, der Festung Sewastopol Herr zu werden. In unaufhörlichen Diskussionen rang man darum, wie man am besten vorgehen sollte. Der erste, von General von Manstein entwickelte Plan, die Festung von Nordenund vom Land her mit seiner 11. Armee möglichst lückenlos von allen Seiten einzukreisen und abzuschließen, um den Hafen der Ssewernaja-Bucht unter Kontrolle zu bekommen, war ja von ihm selbst inzwischen verworfen worden. Trotzdem
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