Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
daran gewöhnt.« Er nahm eilig seine Tasche und strebte mit raschen Schritten fort.
»Herr Doktor …«, rief Magdalena ihm fassungslos nach, als er schon auf der Treppe war und so, als habe er nichts gehört, eilig das Haus verließ. Sie lief ihm nach, wurde aber von Louise, die am Treppenabsatz stand, aufgehalten. Als sich ihre Blicke kreuzten, sah sie an dem ernsten und schmerzlichen Ausdruck in den Augen der Großmutter, dass sie Bescheid wusste. Magdalenas Kehle wurde eng, sie warf die Tabletten auf den Tisch, stürzte nach oben in ihr Zimmer, schlug die Tür hinter sich zu und ließ sich weinend wie ein kleines Kind auf ihr Bett fallen. Nicht einmal nach einem fiebersenkenden Mittel für Jakob hatte sie den Arzt noch fragen können!
Was sollte sie jetzt bloß Hanna sagen? Sie würde noch bis zum Abend warten – vielleicht konnte sie irgendwo anders Rat einholen. Sie nahm ihre Bücher und verließ unter Louises misstrauischen Blicken das Haus, als würde sie zur Universität gehen. Dann schlug sie die Richtung zum Rossgarten ein. Schon von Weitem erkannte sie, dass das Anwesen der Kreuzbergers unter Bewachung stand. Arbeiter gingen ein und aus und schleppten Sachen und Möbel in einen Lastwagen, der vor dem Haus wartete. Sie näherte sich mit unschuldiger Miene.
»Das Haus ist konfisziert!«, herrschte sie der Wachmann an, als sie Anstalten machte einzutreten. »Was haben Sie hier zu schaffen?«
»Ich … ich … bin das Kindermädchen und wollte etwas holen!«, stotterte Magdalena unsicher. »Ein Spielzeug.«
»Unterstehen Sie sich! Keinen Schritt weiter! Die Leute, die hier wohnten, brauchen keine Spielzeuge mehr«, grinsteer zynisch, und Magdalena wich zurück. »Schon gut, schon gut!«
»Wer hat Sie überhaupt geschickt?«, fragte der Wachmann jetzt misstrauisch und tat einen Schritt auf sie zu.
Magdalena geriet in Panik, sie drehte sich um und begann, so schnell sie konnte, zu laufen. Hinter sich hörte sie das »Halt! Bleiben Sie sofort stehen!« des Wachmanns, das sie noch weiter antrieb. Erst, als sie in der Innenstadt in die Menschenmenge, die wie gewöhnlich durch die Straßen flutete, eintauchen konnte, blieb sie atemlos stehen und sah sich um. Niemand folgte ihr mehr. Vor ihr ragte das mächtige Backsteingebäude des Doms auf. Ganz automatisch hatte sie den Weg hierher eingeschlagen, da, wo die Idee von der Unbedingtheit des geistigen Widerstandes geboren war und wo sie auch jeden Tag um Schutz für ihren Bruder und für Paul gebetet hatte. Sie betrat das kühle, friedliche Innere und kniete sich mit gesenktem Kopf in eine Bank. Langsam beruhigten sich mit ihrem Atem auch Herz und Kopf. Doch eine ruhige Andacht wollte trotzdem nicht gelingen, immer wieder schoben sich andere bedrohliche und beunruhigende Gedanken dazwischen. Sie stand auf und trat in den Beichtstuhl. Wie mit den anderen abgemacht, lag in seiner Höhlung, gut unter dem Sitz versteckt, wie üblich der Stapel Flugblätter, zur Verteilung in der Stadt bestimmt. Sie musste die anderen unbedingt warnen, ihnen sagen, dass Anton Schäfer aus irgendeiner dunklen Quelle Wind von der Sache bekommen hatte! Vorsichtig schob sie die Flugblätter mit dem Fuß tiefer unter den Beichtstuhl, bevor sie die Kirche verließ. Als sie das große Portal hinter sich schloss, kam durch einen glücklichen Zufall gerade Frank Schiffner des Wegs. Er trug eine große Tasche, an der sie sofort erkannte, dass er wieder neues Material bei sich hatte. Fiebernd vor Erregung nahm sie seine Hand und zog ihn auf eine Bank, die im Schatten der Bäume lag, die den Dom umgaben.
»Frank«, flüsterte sie ihm zu. »Wir müssen Schluss machen –die Verteilung der Flugblätter sofort einstellen und alles Beweismaterial vernichten. Sofort, hörst du! Man weiß Bescheid über unsere Aktion. Irgendjemand hat nicht dichtgehalten – in der Albertina wird jetzt nach den Herausgebern und Beteiligten gesucht! Wir müssen alles verbrennen, sonst wird man uns verhören und vielleicht sogar …verhaften!«
»Beruhige dich, Magdalena! Was kann man uns schon anhaben?« Frank versuchte, überlegen zu wirken, doch man sah am Zucken seines Augenlids, dass er nervös geworden war. »Verhaften! Wir sind doch nur kleine Studenten! Da wird man uns schon nicht den Kopf abreißen, wenn wir unsere Meinung sagen – höchstens eine kleine Strafe aufbrummen.«
»Ich weiß nicht recht – ich hab Angst, Frank!« Magdalena zitterte am ganzen Körper. »Es ist so viel geschehen! Du
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