Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
möchte zuvor nur meine Angehörigen ins Ausland bringen, sie in Sicherheit wissen. Meine Frau, meine Tochter …«
»Hören Sie, Herr Doktor, ich habe Vertrauen zu Ihnen …«, stieß Magdalena plötzlich hervor. »Hanna, meine Freundin …« Sie stockte, doch unter dem gütigen, abwartenden Blick des Arztes fuhr sie fort: »... lebt in einem Versteck auf dem Dachboden unseres Hauses! Nachdem man nachts ihre Mutter abgeholt hatte, standen sie und ihr Bruder Jakob schutzlos da. Sie wussten nicht wohin! Und dann wurde der Kleine in seinem Versteck gleich krank – was hätten wir denn tun sollen?« Sie machte eine Pause und sah mit Tränen in den Augen vor sich hin. »Alles ging so schnell. Hanna war mit meinem Bruder Lutz zusammen. Er ist gefallen, aber ich weiß, dass sie sich sehr lieb hatten.« Sie schluchzte auf. »Herr Doktor, helfen Sie mir! Ich habe keine Ahnung mehr, wie alles weitergehen soll. Ich kann Hanna ja nicht die ganze Zeit auf dem Dachboden einsperren! Und wie soll ich ihr jetzt auch noch beibringen, dass Jakob, ihr kleiner Bruder, tot ist?« Sie schluchzte leise vor sich hin, während Dr. Friedländer, den Kopf in die Hände gestützt, ratlos zu sein schien. Schließlich begann er mit einer müden, fast tonlosen Stimme. »Ich würde Ihnen gerne helfen, mein Kind, aber ich weiß selbst nicht, wie! Vielleicht …«, er zögerte und dachte nach, »kann sich Ihre Freundin ja meiner Frau und Tochter anschließen. Ich habe da etwas organisiert – ein Schiff soll sie ins liberale Schweden bringen. Dort werden Juden aufgenommen und man kümmert sich um sie. Hat Ihre Freundin einen gültigen Pass?«
Magdalena verneinte. »Alles ging so schnell! Sie konnte nicht einmal mehr in ihr Haus zurück. Es war bewacht.«
Dr. Friedländer schüttelte den Kopf. »Eine verzwickte Sache!« Als er die verzweifelte Miene Magdalenas sah, setzte er nach einerWeile hinzu: »Ich könnte ausnahmsweise versuchen, einen falschen Pass für sie aufzutreiben. Aber ich kann Ihnen nichts versprechen. Geben Sie mir die Beschreibung Ihrer Freundin. Aber das ist gefährlich, auch für mich!«
»Ihr richtiger Name ist Hanna Kreuzberger. Sie hat lange dunkel gelockte Haare, braune Augen, ist schlank und etwa 1,65 groß«, sagte Magdalena rasch, und der Arzt notierte alles auf einem Zettel. Er stand auf und ging zum Fenster. »Kommen Sie in zwei Tagen wieder, dann gebe ich Ihnen Bescheid!«
Magdalena erhob sich mit einem erleichterten Lächeln. »Ich danke Ihnen. Sie sind so gut!« Sie trat ein paar Schritte auf den Arzt zu, doch der wehrte ab. »Lassen Sie nur – wir müssen erst abwarten.«
Mit gemischten Gefühlen kehrte Magdalena nach Hause zurück. Die Möglichkeit zur Flucht war sicher ein Lichtblick für Hanna. Aber das mit Jakob – wie würde sie die traurige Nachricht verkraften?
Louise hielt gerade ihren Mittagsschlaf, aber die Geschwister, die bei einer Veranstaltung der Hitlerjugend waren, konnten jeden Augenblick zurückkehren. Es war einfach zu riskant, gleich zu Hanna hinaufzusteigen und mit ihr zu sprechen. Am Abend war es auf jeden Fall sicherer. Sie streckte sich in ihrem Zimmer auf dem Bett aus, auf die Stille horchend, die das Haus seit dem Tod der Mutter umfing, und dachte nach. Selbst die wenigen Dienstboten, die noch geblieben waren, fürchteten sich in letzter Zeit vor einem lauten Wort, einem Lachen. Alles war plötzlich anders geworden.
Die Geschwister hatte der Tod der Mutter am heftigsten getroffen, obwohl sie sich in letzter Zeit wenig um sie gekümmert hatte. Gertraud wirkte plötzlich viel erwachsener – das bedeutete aber auch, dass es eine neu erwachte Rivalität zwischen ihnen gab. Über beide Ohren in Gottfried von Treskow verliebt, war sie rasend eifersüchtig, weil ihr Angebeteter sie wie Luftbehandelte und nur ihr, Magdalena, den Hof machte. Eines Tages hatte sie ihm daher deutlich gemacht, dass sie einen anderen liebe und so gut wie verlobt sei. Gottfried war schockiert, er blieb nun aus, und das bedeutete eine mittlere Katastrophe für Gertraud, die jeden Abend todunglücklich in die Kissen heulte, unausstehlich wurde und ihre Schwester mehr hasste denn je. Louise, die sah, wie ihre Enkelin litt, versuchte vergeblich zu intervenieren – und endlich nahm Gottfried beim nächsten Heimaturlaub wieder eine Einladung zum Essen an. Er hatte unterdessen einen gehörigen Dämpfer in seiner Karriere erhalten und beklagte sich bitter darüber, dass man ihn von der Flugstaffel
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