Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
vorübergehend in den Innendienst versetzt habe. Aus dem ehemals gefeierten Helden war wieder ein ganz gewöhnlicher Leutnant geworden, denn unterdessen hatte ein deutsches U-Boot tatsächlich den englischen Flugzeugträger im Mittelmeer versenkt. Niemand sprach mehr von seinem glorreichen Treffer, der »Beinahe-Versenkung« des feindlichen Schiffes. Sein Ansehen schwand, und genauso, wie man ihn früher herumgereicht hatte, so wenig interessierte nunmehr seine Geschichte, die er bei passender Gelegenheit trotzdem gerne zum Besten gab.
Mit entsprechender Herablassung wandte sich sein Augenmerk jetzt endlich Gertraud zu, deren anbetende und verliebte Blicke nicht länger zu übersehen waren. Der pummelige, schüchterne Backfisch, der früher kaum ein Wort herausbekam, hatte sich mittlerweile zu einem hübschen Mädchen mit unübersehbaren weiblichen Formen gewandelt. Die kindlichen Zöpfe waren verschwunden und ihr langes blondes Haar fiel offen und glänzend auf die Schultern. Bereits Stunden, bevor man Gottfried zum Essen erwartete, verfiel Gertraud in fieberhafte Geschäftigkeit und Unruhe. Sie drehte Locken, cremte und parfümierte sich heimlich aus Louises Tiegeln und probierte ihren gesamten Kleiderschrank durch. Später hing sie dann mit glänzenden Augen an Gottfrieds Lippen, die Wangen rosig angehaucht und tat,als bemerke sie nicht, dass der Träger ihres Sommerkleides halb von den Schultern gerutscht war. Gottfried fühlte sich geschmeichelt – und Magdalena war froh, den hartnäckigen Verehrer los zu sein. Trotzdem war das Verhältnis der beiden Schwestern seitdem gespannt, und Gertraud beobachtete sie in Gegenwart ihres Angebeteten mit eifersüchtigen und misstrauischen Augen. Niemanden überraschte es dann, als Gottfried schließlich um Gertrauds Hand anhielt. Sie war überglücklich, und Magdalena freute sich aufrichtig mit ihr. Das Datum der Hochzeit wurde allerdings erst auf den Monat nach dem Trauerjahr anberaumt.
Unruhig sah Magdalena jetzt immer wieder auf die Uhr. Die Zeit zog sich hin. Unten hörte sie jetzt Louise rumoren und Theo spielte im Garten Fußball. Wie Blei lag es auf ihrer Brust und die Aussprache mit Hanna stand wie ein Schreckgespenst vor ihr. Wie würde sie reagieren? Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Auf jeden Fall musste sie in Zukunft noch vorsichtiger sein als bisher. Anton Schäfer, der aus seiner Judenfeindlichkeit keinen Hehl machte, lief ihr immer öfter »rein zufällig« über den Weg, wenn sie zur Universität musste. Vielleicht beobachtete er sie ja auch, weil er irgendeinen Verdacht hatte? Aber sicher war sie zu empfindlich geworden und sah auf einmal überall Gefahren. Wie auch immer, es war auf jeden Fall besser, ihn wegen seines Einflusses bei der Partei nicht ganz zu verstimmen und ab und zu seine Einladung zum Kaffeetrinken anzunehmen. Es war immer eine Überwindung, sie musste sich zusammennehmen und ihren Widerwillen gegen Antons schlechten Atem, seine schiefen Zähne und sein hochtrabendes Geschwätz hinter einer lächelnden Miene verbergen. Trotz seiner wasserhellen, ein wenig vortretenden Glupschaugen, den fettigen, aschblonden Haaren und der schmächtigen Brust schien er sich als einer jener Helden zu betrachten, die auf den Kriegspropaganda-Plakaten abgebildet waren. Angeekelt sah sie an ihm vorbei, wenn er sich mitSchaumbläschen in den Mundwinkeln über die Juden ereiferte und darüber, dass man in der Universität noch andere Personen in Verdacht habe, über die Frank Schiffner zwar verbissen schwiege, die man aber »schon noch kleinkriegen würde«. Jedes Mal, wenn er das sagte, begann Magdalenas Herz heftig zu klopfen. Was wäre, wenn er daraufkam, dass sie bei der Flugblattaktion auch mit dabei war? Gut, dass sie die restlichen Flugblätter geschickt im Keller unter einem Stapel rußiger Kohlen versteckt hatte – bei der nächstbesten Gelegenheit würde sie das Papier im Kamin einfach verbrennen.
Sie schob die beunruhigenden Gedanken beiseite und erhob sich. Im Haus war es jetzt völlig ruhig, und sie beschloss, doch nicht bis zum Abend zu warten. Sie musste es hinter sich bringen, Hanna die schlechte Nachricht mit der bitteren Wahrheit so schonend wie möglich beibringen. Vorsichtig horchte sie in den Gang und stieg dann entschlossen, aber auf Zehenspitzen die Stufen empor und ließ den geölten, jetzt völlig geräuschlosen Tritt zum Dachboden herunter. Hanna sah ihr schon gespannt, aber mit vom Weinen glänzenden Augen entgegen. Auf ihrer
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