Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
Stirn stand Schweiß. Trotz des geöffneten Fensters war die Luft stickig, fast unangenehm drückend, denn die Sonne erhitzte die Dachschindeln. Magdalena setzte sich ihr gegenüber auf die Decke am Boden. Es war, als befände sich in ihrem Mund ein zähes Hindernis, das ihre Sprache blockierte und die Worte, die sie formen wollte, nicht herausließ. Sie setzte zweimal an, doch dann schwieg sie, in der Angst, Hanna würde losheulen, einen Schreikrampf bekommen und die ganze Umgebung alarmieren. Doch Hanna sah sie nur unentwegt mit ihren wie erloschen wirkenden Augen an, die verkrampften Hände wie zum Gebet gefaltet. Erst jetzt löste sich Magdalenas Zunge und die grausamen Worte traten über ihre Lippen. »Es war zu spät, die Ärzte haben alles versucht. Sein Kreislauf hat schlappgemacht. Jakob hat nicht gelitten... Verzeih mir, aber ich hatte nicht den Mut, es dir eher zu sagen.«
Hannas Augen wurden starr, ihre Lippen weiß. Sicher hatte sie schon längst Schlimmes für den zarten Bruder geahnt, doch jetzt, in der Gewissheit, dass der Kleine nicht mehr lebte, sank sie wie ohnmächtig zurück.
Magdalena kroch zum Wassereimer, feuchtete ein Taschentuch an und legte es ihr auf die Stirn. »Hanna, komm zu dir!«, flüsterte sie eindringlich an ihrem Ohr. »Ich weiß, es ist hart für dich. Aber du musst jetzt stark sein. Dr. Friedländer wird dir helfen, nach Schweden zu gelangen. Da bist du in Sicherheit! Deine Mutter – deine Familie würde wollen, dass du überlebst!« Hanna schlug die Augen auf und seufzte tief. »Am liebsten wäre ich auch tot!«
8. Kapitel
I N DER H EIMAT
»Sag mal, was war denn das für eine Geschichte?«, Hans hatte sich auf der Pritsche neugierig zu Paul hinübergebeugt und grinste. »Mit der Krankenschwester? Ich dachte, ich hör nicht richtig. Hab mich natürlich schlafend gestellt. Hast du ein Glück bei Frauen – wie machst du das bloß … «
»Komm, hör auf!«, wiegelte Paul ab. »Ich hab doch schon gesagt, das war eine Verrückte!«
»Liebe macht eben verrückt. Aber so schnell... die war ja erst seit gestern hier. Eine Rumänin, nicht wahr? Eine ganz Scharfe, oder?«
»Russin«, verbesserte Paul. »Sie hat sich hier eingeschmuggelt. Ich kenn sie eigentlich schon länger …«
»Ruhe!«, kam es jetzt unwillig und mehrstimmig von den anderen Pritschen. »Aufhören mit dem Gequatsche! Wir wollen schlafen!«
»Morgen musst du mir alles erzählen!«, flüsterte Hans, und Paul nickte. Kurze Zeit später erfüllte sein lautes Schnarchen den Raum.
Nur Paul lag mit offenen Augen auf seiner Pritsche. Ober wollte oder nicht, er spürte immer noch die heißen Lippen Anouschkas auf den seinen und fühlte sich schuldbewusst. Tatsächlich hatte er sich hinreißen lassen und ihren Kuss für einen Augenblick erwidert. Dabei war diese Frau ein Teufelsbraten, gefährlich wie eine Kugel aus dem Hinterhalt, vor der man sich in Acht nehmen musste! Wie sie es nur geschafft hatte, ihn in diesem Lazarett aufzuspüren? Sie war eine Meisterin der Verstellung und ihre auffallende Schönheit öffnete ihr natürlich Tür und Tor, selbst im Krieg und unter schwierigen Umständen wie diesen. Auf jeden Fall würde er morgen den Stabsarzt bitten, ihn freiwillig aus dem Lazarett zu entlassen, damit er wieder zu seiner Truppe käme, einfach hier weg – auch wenn er noch nicht ganz so kräftig auf den Beinen war. Seufzend legte er sich auf die Seite, nahm seinen Bleistiftstummel und versuchte, so gut es ging, einen Brief an Magdalena zu beginnen. Doch er kam über den ersten Satz nicht hinaus, strich aus, begann aufs Neue, bis ihn nach einiger Zeit der Schlaf übermannte und das Briefpapier zu Boden sank.
»Ich muss leider einen Bericht machen, Hofmann!« Stabsarzt Müller sah ihn vorwurfsvoll an. »Sie können sich nach diesem Vorfall hier nicht so einfach wegstehlen. Immerhin fehlen ein Krad, Benzin, Medikamente! Von den Papieren, die das Weibsstück hat mitgehen lassen, ganz zu schweigen! Und in der Kommandeursbaracke hat sie Karten mit den strategischen Aufstellungen und Plänen gestohlen; damit der Iwan auch ganz genau weiß, was wir hier als Nächstes vorhaben!« Er schüttelte finster den Kopf. »Das muss ich jetzt verantworten! Wie konnten Sie sich von einer Frau bloß in so eine Sache ziehen lassen? Mann, denken Sie doch mal nach – ausgerechnet eine Russin! Die schleicht sich hier, als Krankenschwester getarnt, unbemerkt ein! Als wenn es das Einfachste der Welt wäre! Man sollte es
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