Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
Ecke zwischen gestapelten Transportkisten zusammen. Ihre Überlegungen liefen gegen eine Wand von Hindernissen. Sie hatte weder Geld für eine Reise noch Kleidung zum Wechseln dabei! Als es Morgen wurde, beobachtete sie das Beladen der Schiffe, und als sie mit großen Augen ein paar Matrosen zusah, die sich aus einer Thermoskanne heißen Tee einschenkten, fragte einer von ihnen: »Na, Mädel, willste auch’n Schluck? Dein Freund ist wohl schon abgehauen, ha?« Er bot ihr seinen Becher an und Magdalena trank gierig von dem heißen Getränk.
»Danke, ich danke Ihnen sehr!«, sagte sie in ihrem üblichen wohlerzogenen Ton und reichte ihm den Becher zurück. Doch als der Matrose ihre Hand ergriff und sie lachend festhielt, riss sie sich los und lief davon.
Vom trüben Himmel herab begann es jetzt leise, aber stetig zuregnen. Am Ende ihrer Kräfte, hungrig, übermüdet und bis auf die Haut durchnässt, entschloss sie sich schließlich, doch nach Hause zurückzukehren, egal, was geschah. In der schlaflosen Nacht, frierend, beim Grübeln über ihre verfahrene Situation, hatte sie erwägt, die Sache mit den Flugblättern zu gestehen und alle Schuld auf sich zu nehmen; allein schon deswegen, damit Louise und Theo keine weiteren Schwierigkeiten bekämen. Man würde sie vielleicht bestrafen – aber was sollte man ihr schon groß antun? Sicher war eine verbotene Flugblattaktion, die Studenten einer Universität heimlich verbreiteten, nicht gerade ein Kavaliersdelikt! Aber es war auch kein Verbrechen!
Man würde sie festnehmen, na und? Irgendwie würde sie sich da schon wieder herausreden können. Gefährlich war ja bloß die Sache mit Hanna gewesen! Zum Glück war sie gut ausgegangen und niemand konnte ihr mehr etwas beweisen.
Ihr Entschluss stand fest, und als sie sich der Villa näherte, war zu ihrer großen Erleichterung der Mann vom Sicherheitsdienst, der die Tür bewachte, verschwunden, das Fenster der geschwätzigen Frau Schmitz dunkel und geschlossen, und auch das Chaos im Garten war halbwegs beseitigt. Alles schien ruhig und geordnet wie zuvor und nur ein dummer Albtraum gewesen zu sein. Zu ihrer großen Freude war es Louise, die ihr, zwar blass und verhärmt aussehend, selbst die Tür öffnete und sie mit einem leisen Aufschrei in die Arme schloss. Magdalena konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Es war, als bräche ein Damm in ihr, und sie brauchte lange, um sich wieder zu beruhigen. Theo, der erst trotzig beiseite stand, legte schließlich mitleidig seinen Arm um sie.
»Lass mal gut sein Kind. Hat dich jemand gesehen?« Louise schob Magdalena jetzt ein Stück weit von sich. »Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht!« Sie sprach hastig und beinahe flüsternd. »Wie konntest du nur solche Torheiten begehen? Deinetwegen hat man uns die halbe Nacht verhört!«
»Verzeih mir, Großmama!« Magdalena wischte sich die Tränenaus den Augen. »Ich werde mich zu der Flugblattaktion bekennen und alles gestehen!« Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Ich kann nicht mehr – bin völlig erschöpft!«
»Gestehen? Bist du wahnsinnig geworden?« In Louises Miene stand das blanke Entsetzen. »Du hast wohl noch nicht gelesen, was heute in der Morgenzeitung steht!«
Magdalena zuckte hilflos die Schultern. »Was soll das schon sein? Mir ist das jetzt wirklich alles egal.«
Statt einer Antwort nahm Louise mit zitternden Händen das »Volksblatt« vom Tisch. Die Schlagzeile sprang sofort ins Auge:
Schändliche Flugblattschmierer
beleidigen Nation und Führer!
›Nach der Verhaftung des Studenten Frank Schäfer, der auf frischer Tat beim Verteilen von Schriften gegen die nationalsozialistische Regierung ertappt wurde, hat die Polizei jetzt auch weitere Komplizen der beschämenden Aktion festgenommen. Sie werden angeklagt, infame politische Lügen über den Führer in schmutzigen Flugblättern verbreitet zu haben. Diese das Vaterland beleidigenden, jugendlichen Täter verdienen keine Gnade und eine harte Strafe! Man rechnet deshalb mit einem schnellen Urteil, das zur Abschreckung ohne längeren Prozess vollstreckt werden soll …‹
Das Blatt entglitt Magdalenas Händen. Keine Gnade – schnelles Urteil? Ihr schwindelte, und sie versuchte, Louises angstvollem und zugleich anklagendem Blick auszuweichen.
»Teile dieser … dubiosen Flugblätter hat man unter einem Kohlenstapel in unserem Keller gefunden!«, sagte sie tonlos. »Es war sehr leichtsinnig von dir, sie dort zu verstecken!«
Als Magdalena nicht
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