Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
mit Paul! Sie würde es verpassen! Sie tastete verzweifelt ihre Umgebung ab und ließ sich schließlich auf einer Art Kiste nieder, die am Boden stand. Hemmungslos begann sie zu weinen. Danach blieb ihr nichts anderes übrig, als stumpfsinnig vor sich hin zu starren und zu warten. Die Zeit verfloss – sie war die Gefangene Anton Schäfers. Durch die Türritze drang etwas Licht, und als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie die Umrisse des engen Raumes besser erkennen. Aus dieser fensterlosen Besenkammer gab es keinen Ausweg, keine Fluchtmöglichkeit. Oder doch? Schaufeln, Harken und alles, was man für die Gartenarbeit so brauchte, war ordentlich hier aufgereiht und untergebracht. Langsam, mit von der gekrümmten Haltung schmerzendem Rücken erhob sie sich halbwegs und begann die Kiste zu untersuchen, auf der sie saß. Sie enthielt unterschiedliches Werkzeug, einen Hammer und sogar ein Beil. Mit beiden Händen packte sie es und schlug mit aller Kraft auf das billige Holz der Tür ein. Es splitterte bereits nach wenigen Schlägen, und bald hatte sie ein Brett herausgehauen, durch das sie sich leicht hindurchzwängen konnte.
Sie kletterte durch das erstbeste Fenster nach draußen und rannte erleichtert durch das nachlässig geschlossene Gartentor hinaus über die sich kreuzenden Wege der Siedlung an Holzhäuschen vorbei, die alle gleich aussahen. Da es inzwischen dunkel geworden war, irrte sie eine Weile ratlos in dem Labyrinthder biederen, unbeleuchteten Anlage umher, immer in der Angst, Anton könne plötzlich hinter ihr stehen.
Es war beinahe halb zehn, als sie endlich abgehetzt im Café zum ›Goldenen Löffel‹ eintraf. Es herrschte mäßiger Betrieb, und sie ging von Tisch zu Tisch, beinahe ohne Hoffnung, Paul noch anzutreffen.
»Kann ich Ihnen helfen, Frollein?«, erklang die Stimme der gutmütigen Wirtin, die am Tresen die Gläser wusch.
»Nein …«, Magdalena verbesserte sich. »Ja, natürlich! Haben Sie einen Soldaten gesehen, blond und groß? Er wollte hier auf mich warten. Vielleicht hat er etwas für mich hinterlassen?«
Die Wirtin schüttelte den Kopf. »Nee. Aber warten Se mal. Da war einer, der hatte Blumen dabei – er saß hier lange am Fenster. Er hat irgendwas geschrieben, glaub ich. Aber der is weg. Mehr kann ich Ihnen wirklich nicht sagen. Aber nehmen Se mal Platz, sonst fallen Se mir noch um. Sie sehen ja ganz grün aus, Kind!«
Magdalena hielt sich an den klobigen Barhockern fest. Ihr war tatsächlich schwindlig und übel. Den ganzen Tag hatte sie weder gegessen noch getrunken. Die Wirtin schob ihr mitleidig ein halbes Glas mit einer dünnen Zitronenlimonade zu. »Nu nehmen Se mal ‘n Schluck, sind ja janz blass!«
Magdalena gehorchte. »Danke! Sollte doch noch jemand nach mir fragen, dann richten Sie bitte aus …«, sie hielt ein, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. In ihrem Kopf drehte sich alles. »Ach, nichts, besser gar nichts!« Sie versuchte ein Lächeln und drängte sich dann eilig durch die Tische aus dem Café. Die Wirtin sah ihr kopfschüttelnd nach. »Armes Ding! Ist ganz durcheinander! Hat sicher Liebeskummer!«
Paul hatte sich noch spät abends bei der Polizei nach einer Magdalena von Walden erkundigt, doch man verweigerte ihm die Auskunft. Er versuchte, kühles Blut zu behalten, weckte jedoch sofort, als er in der Wohnung der Tante ankam, seine Schwesterund schilderte ihr die beunruhigende Situation. Sie beschwichtigte ihn und versprach, in seiner Abwesenheit zu versuchen, Licht in die mysteriöse Anklage gegen Magdalena zu bringen.
Die ganze Nacht ging ihm die Geschichte nicht aus dem Kopf – sich umherwälzend, fand er keinen Schlaf. Er schwankte zwischen Ratlosigkeit, Sorge und der vagen Hoffnung, dass alles ein Irrtum sei, Lena morgen zum Bahnhof käme und mit ihm über seine Ängste lachen würde. Bis dahin konnte er einfach nichts tun – seine Hände waren durch die frühe Abfahrt nach dem viel zu kurzen Aufenthalt gebunden!
Am nächsten Morgen, früh am Bahnhof, hielt er unruhig Ausschau nach ihr, doch sie kam nicht. Jetzt war er sicher, dass etwas Ernstes geschehen sein musste.
Magdalena hatte mit dem dumpfen Gefühl einer unbekannten Gefahr, der Angst vor Anton, nicht gewagt, nach Hause zurückzukehren. Sie lenkte ihre Schritte zum Hafen. Was sollte sie jetzt bloß tun? Ein Schiff nehmen, fliehen – aber wohin? Trotz der milden Nacht fröstelte sie im leichten Wind und kauerte sich schließlich in einer dunklen
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