Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
schlicht und anhänglich, das war es. Das machte dich mir sympatisch. Ein Herr sollseine Serviteurs nicht loben, mag sein. Heute tue ich es einmal. Es ist Huld und Laune.«
Der Eingetretene lächelte. Er trug einen schwarzseidenen Rock, dessen Nähte mit Goldstickereien besetzt waren. Einen Hut aus rotem Filz, aus dem drei Goldfasanenfedern sprießten, hielt er unter dem Arm. Nach einer formvollendeten höfischen Verbeugung dankte er dem König für das launige Lob.
Alles Vergangene war für ihn endgültig passé. Seine Zukunft lag nicht länger in Brandenburg. Zu viel hatte er hier erlitten; zu wenig verband ihn noch mit diesem Land. Er brannte darauf, seine wahre Heimat kennen zu lernen. Stolz und mit Verehrung betrachtete ihn sein Unterhändler und Beschützer von Waldegg.
Zum ersten Mal hörte Langustier den vormaligen Diener und jetzigen Landgrafen seine Stimme probieren. Sie klang sanft und dennoch eindringlich. Was er sagte, kam gemessen und ohne Prätention – wohlaffektioniert.
Durch das Elixier war sein Haar leicht ergraut, was ihn exzellent kleidete und eine aufgesetzte Allonge entbehrlich machte. Er wirkte offen für alles, was ihm begegnete, signalisierte zugleich aber eine abwägende Zurückhaltung. Übergangslos wurde er vom Serviteur des Königs zum landgräflichen Souverän. Seine Umgangsformen waren untadelig. Die lange Schule des Bedienens hatte, bei allem offenkundigen Nachteil für seine Lebensgeschichte, auch etwas Nützliches hinterlassen.
»Königliche Majestät sind zu gnädig. Lassen wir jedoch die Vorzeit ruhen und suchen nach einer friedlichen Kooperation. Mein Botschafter wird sich mit brandenburgischen Wünschen zu einer militärischen und wirtschaftlichen Allianz vertrauensvoll und aufgeschlossen befassen. Indessen möchte ich, nach allem Vorgefallenen, der vollkommenen Liberté meines Landes gewiss sein dürfen. Keiner kann für seine Väter, Sire. Möge kein Zurückliegendes hinderlich zwischen uns stehen.«
Der König lächelte fein. Höchst erstaunt, aber durchaus erfreutüber diese gelungene Metamorphose seines ehemaligen Bedienten sprach er:
»D’accord. So wollen wir es halten. Ich freue mich über Ihre Restauration und beglückwünsche Sie zu solch treuen Untertanen.« Hierauf zog er seinen Hut gegen von Waldegg – eine Höflichkeit, mit der er allerdings gegen niemanden geizte –, wiederholte den Gruß gegen seine beiden erfolgreichen Kommissare und verabschiedete sich mit den Worten:
»Parole d’honneur, Messieurs – ich werde dies nicht vergessen. Aber: n’en parlons plus. Jetzt will und darf ich nicht mehr daran denken.«
XVIII
Des Zweiten Hofküchenmeisters ungewöhnliche Rolle bei der Aufklärung der Morde hatte sich schnell herumgesprochen. Er war eine Berühmtheit. Wochenlang beherrschten die Ereignisse um den verrückten Andersohn und seine wundersame Verwandlung in den Landgrafen von Hohenfließ das Stadtgespräch.
Von daher verwunderte es nicht, dass am 30. Oktober, einem bitterkalten Sonntag, an dem bereits erste Schneeflocken fielen, Tausende von Berlinern vor das Oranienburger Tor zogen, wo rechts der Allee, die zum Invalidenhaus führte, das Hochgericht und die Scharfrichterei lagen.
Am Berliner Rathaus war das hochnotpeinliche Halsgericht über den Marder und seine Getreuen gehegt und der Stab über die Bande gebrochen worden. In stummer Prozession führte sie die Wachparade der Berliner Garnison nun zur Richtstätte, wo bereits vier Schlingenbäume für die Abgeurteilten gewachsen waren. Die Wachsoldaten schlossen einen weiten Kreis um die Galgen, während die Verworfenen kniend ihre letzten Gebete verrichteten.
Honoré Langustier, seine Tochter Marie und ihr Bräutigam, der Baron von Beeren, wohnten der wenig erbaulichen Zeremonie bei, während sich der Landgraf von Hohenfließ durch seinen Botschafter von Waldegg vertreten ließ.
Ohne Zaudern ließen die Ganoven von ihrer irdischen Existenz ab. Unter dem Gewicht des Grenadiers brach der Todeswinkel entzwei. Drei gewaltige Hiebe musste der Henker mit der Axt ersatzweise führen, um dieses Mörderleben zu beenden. Schauerlich hatte der Grenadier noch einmal in die winterliche Luft über der Hauptstadt hinaufgebrüllt, bevor sein Kopf in den Weidenkorbrollte, dessen Geflecht von früheren Exekutionen wie rot gebeizt aussah.
Die Stimmung an diesem Tag blieb gedrückt, da derartige Gerichtsbarkeit keinem so recht behagen wollte. Ohne zu wissen, wie ihr geschah und wie sie die mörderische
Weitere Kostenlose Bücher