Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
Philosophen zählt, niemals eines Mörders Hand erhoben hat, so darf dies als untrüglicher Beweis für den völligen Unwert seiner Philosophie angesehen werden.«
Der König goutierte auch dies noch, ohne mit der Wimper zu zucken, wiewohl diese Spitze sich unfehlbar gegen ihn richtete, der sich selbst gerne einen Philosophen nannte. Voltaire ergänzte:
»Besonders gegen die Philosophie des Herrn Locke ist es das schlagendste Argument, so denn überhaupt eines vonnöten sein sollte, dass trotz seines immensen Alters von zweiundsiebziglangen Jahren keiner sich erbarmte und ihm die Kehle durchschnitt.«
Der König machte aus seinem Vergnügen keinen Hehl und lachte herzlich. Mit schwer nachahmlicher Grazie erhob er sein Weinglas gegen die Umstehenden, die den Gruß artig erwiderten. In seinem geliebten ›Remusberg‹ war er für einen Augenblick erneut zum Roi charmant geworden, als den ihn Langustier zuerst erlebt hatte. Seinen geliebten Freund Voltaire endlich unter dem eigenen Dache zu wissen, vertrieb für den Augenblick anscheinend alle Sorgen. Doch mittlerweile war es schwer geworden zu entscheiden, was bei ihm Gebaren war und was echte Gefühlsäußerung. Wie einstudiert traten acht Mundschenke gleichzeitig zu dem Kreis, um die alten Pegelstände der edlen roten Flüssigkeit in den grünen, geschliffenen Kristallpyramiden wieder sorgsam zu restituieren.
Langustier wurde schmerzlich bewusst, dass er, ergriffe er diese Gelegenheit nicht, wohl nie mehr jemals in die Lage kommen würde, den angebeteten Voltaire im persönlichen Gespräch zu erleben. Als der König sie einander vorgestellt hatte, fragte er sehr zaghaft:
»Monsieur, verzeiht die krude Unbildung eines Küchenlateiners, doch wünschte ich sehr gerne die Namen dieser mordgefährdeten Philosophen zu erfahren, um meine künftigen halbgelehrten Reden mit ihnen würzen zu können, denn dies scheint mir tatsächlich ein gänzlich bemerkenswertes und bedenkliches Phänomen zu sein.«
Der Philosoph aus Cirey lächelte hierob göttlich, wodurch sich die ohnehin tief gefurchten Subpartieen seines Antlitzes mit einem äußerst feinen Äderwerk winziger Faltennetze überzogen, was ihn mehr als sonst einer Dörrpflaume ähnlich sehen ließ.
»Mein lieber Monsieur Langustier, schwerlich könntet Ihr einer besseren Würze habhaft werden, denn es waren keine geringeren als Descartes, Spinoza und Malebranche, die mit dem Mörderischen in enge oder engste Berührung kamen.«
Langustier und die anderen lachten herzlich bei den folgenden erheiternden Geschichten über Descartes’ Abenteuer mit Seeräubern, den Tod von Spinoza und über die Ermordung von Malebranche durch den Bischof Berkeley sowie der nicht minder köstlichen Erörterung der Frage, warum weder Leibniz noch Hobbes ermordet wurden, wo sie doch die exquisitesten Mordopfer abgegeben hätten, vom Voltaireschen Vortrage nicht weniger hingerissen.
Der König verließ endlich die Gruppe und gab, von seinen Musicis assistiert, vor einem der beiden marmornen Kamine einige neue eigene Kompositionen für die Traversflöte zum Besten. Ein goldener Käfig mit einem dressierten Staren, den ihm Langustier geschenkt hatte, baumelte unweit vom Orchester an einer grazilen Stange. Sehr aufmerksam lauschte der gefiederte Gefangene auf die seltsamen Pfiffe, die der große blaue Vogel mit dem blinkenden Stern im Brustgefieder unter ihm ausstieß, denn er gedachte, einige davon dem eigenen Repertoire einzuverleiben. Eine kleine königliche Melodie beherrschte er schon, die ihm der findige Vogelhändler auf Langustiers Wunsch beigebracht und die er zur Belustigung des Hofes an diesem Abend bereits wiederholt zur Darbietung gebracht hatte.
Bis auf Langustier und Voltaire hatten sich überhaupt alle ganz dem Zuhören oder dem Tanzen verschrieben, weshalb die beiden durch eine Glastür in ein angrenzendes rundes Turmzimmer getreten waren, von wo sie den Saal weiterhin einsehen, aber nicht durch das laute Spiel in der Unterhaltung gestört werden konnten. Der winzige Raum hieß das »Bacchuskabinett«, auf einen geplanten, von dort aus einsehbaren Bacchustempel anspielend, der drunten am Ufer des ›Lac du Grineric‹ entstehen sollte. Die Wände des Rundzimmerchens waren mit geschnitzten und vergoldeten Ornamenten verziert, die Weinlaub und andere Götterattribute vorstellten. Pesnes Deckengemälde zeigte den Schönling Ganymed, wie er von der Verführerin Hebe im Olymp empfangen wird. Die vor JupitersAugen Hingefallene
Weitere Kostenlose Bücher