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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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des kleinen Hoforchesters im Raume, was ihnen mehrere andere Paare gleichtaten, während Jordan, Langustier, Maupertuis, Eller, von Bielfeld, Algarotti und der König, in ein angeregtes Gespräch vertieft in der Mitte des Raumes standen, direkt unter der prächtigen Morgensonne von Pesnes Deckengemälde »Aurora vertreibt die finstere Nacht«, einer offenherzigen Allegorie auf den Regierungsantritt Sr. Königlichen Majestät.
    Des Königs Augen verweilten lange auf der Engelsgestalt der Venus. Ihr schneeweißer Schwanenleib, den nur in der Taille ein flatterndes Tuch verhüllte, wies äußerst pittoreske Rundungen vor und schien mehr als alles geeignet, die Dunkelheit zu verscheuchen. Blumen, die ein Herr Dubuisson gemalt hatte, streute sie auf die Irdischen herab, während Cupido alle seine Pfeile auf einmal verschoss vor Schreck. Ein Pferd am Sonnenwagen hatte sich aufgebäumt und den kleinen, pummeligen Liebesgott abgeworfen wie einen überreifen Apfel – sehr anspielungsreich für alle diejenigen, die um des Königs Gebrechen in Liebesdingen wussten, desgleichen übrigens die Jakobsmuscheln im Büffet und in den Reliefschnitzereien. Eller, dem der Champagner schon etwas zu Kopfgestiegen war, konnte sich nicht zurückhalten Langustier darauf hinzuweisen:
    »Der mercuriale Weg, der Weg des Reisenden, des Wanderers. Der Götterbote auf dem Weg nach Santiago de Compostella, Läuterung zu erfahren, Christliches und Heidnisches vermischend – Alchemie, chymische Hochzeit. Prost Mahlzeit. ER hat den Stern bereits empfangen …«
    Langustier, mit dieser mystischen Andeutung des Arztes im Augenblick überfordert, war dem Blick des Königs gefolgt. Beim Konterfei der Liebesgöttin musste er unweigerlich an das Fräulein von Sonsfeld denken, das sich – wie er mit Freuden bemerkt hatte – ebenfalls unter den Hochzeitsgästen befand und gerade unter einer der ovidischen Szenen hindurchschlüpfte, die als Goldreliefs die Türen schmückten.
    Ein weiterer Herr betrat den Saal und gesellte sich umgehend zu der Gruppe um den König. Höchst ehrerbietig grüßte er diesen und lenkte gleichsam Blicke und Worte wie mit Puppenfäden auf sich hin. Langustier stand versteinert vor Ehrfurcht – denn es war Voltaire, jener dichtende Philosoph, der zu den erwählten Autoren seiner Küchenbibliothek zählte!
    Der Dichterphilosoph, um seine Wirkung wissend, ignorierte und überspielte das Verstummen um ihn her, indem er dem König sogleich aus einem langen, vor scheinheiligem Lobe überquellenden Brief des Kardinals de Fleury über den ›Antimacchiavell‹ vorlas, den er mitgebracht hatte. Der König und er hatten sich bereits privatim begrüßt, doch war dies ihr erster gemeinsamer Auftritt vor dem Hofpublikum.
    Angesichts der Lüttich-Affäre war dem König von Voltaire nahegelegt worden, jenes Buch, den ›Antimacchiavell‹, nicht drucken zu lassen, damit man ihm nicht vorwürfe, seine eigenen Grundsätze verletzt zu haben. Voltaire war deshalb extra nach Holland gereist, um die Buchausgabe aufzuhalten, doch der Verleger hatte so viel Geld als Entschädigung für seine verlorenen Kosten undden ausfallenden Gewinn verlangt, dass der König, dem es übrigens im Grunde seines Herzens nicht eben besonders leid tat, gedruckt zu werden, es vorzog, lieber umsonst gedruckt zu werden als noch dafür zu zahlen, dass er nicht gedruckt würde. Nun lag ihm dieses Buch, in dem er das Lob der Mäßigung und der Gerechtigkeit gesungen, ja sich sogar zu der Utopie verstiegen hatte, jede Usurpation als ein Verbrechen zu brandmarken, wie ein kalter Stein auf der Seele.
    Der 46jährige Philosoph und der 28jährige König verbreiteten den Eindruck rückhaltlosen Einverständnisses. Se. Königliche Majestät litten es nicht nur, dass die Rede auf das hauptstädtische Blutbad kam, das im übrigen Hofkreis tabu war, sondern hinderten Voltaire auch nicht, das Thema Mord überdies noch philosophisch auszuschlachten:
    »Mich setzt eine ganz andere Klasse von Morden, die seit Beginn des vorvergangenen Jahrhunderts statthaben, in Erstaunen, und zwar die Ermordung von Philosophen.«
    Langustier und die Umstehenden sahen einander ungläubig an.
    »Ganz recht, meine Herren, denn es ist Tatsache, dass in den letzten beiden Jahrhunderten jeder Philosoph von einiger Bedeutung entweder wahrhaftig ermordet worden oder zum mindesten doch nahe daran gewesen ist.«
    Voltaire kam in Fahrt.
    »Man könnte gar vermuten: Wenn sich gegen einen Mann, der sich zu den

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