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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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vielstrahligem Stern ein kleiner Preußenadler Flügel und Beine spreizte, was ihm das Aussehen eines schwarzen, erwürgten Huhnes verlieh. Da die Riesengerüste bis knapp unter die Zimmerdecke reichten, hatte ihnen der Schalk von Präparator den vormaligen Kopfputz frech unter die knöchernen Achseln geklemmt.
    Der Lungenausguss war beendet. Stolz wie ein Bildhauer betrachtete Eller sein Werk. Der gängige Abscheu vor solchen Innerlichkeiten war ihm bekannt. Zwar liefen die meisten Berliner zu jeder Hinrichtung an den Neuen Markt, vors Cöllnische Rathaus oder ans Hamburger Tor oder tranken gar, als unfehlbares Mittel gegen Fallsucht, das frische Blut der Enthaupteten – vor Ellers Einmachgläsern jedoch überkäme sie das blanke Gruseln. Das Handwerk des Professors, des Leichenzergliederers, galt als widernatürlich. Der immense Wert seines Tuns für die Fortentwicklung der Medizin wurde noch nicht allgemein begriffen.
    Nach wie vor weigerten sich die meisten Ärzte, einen Messerschnitt am menschlichen Leibe zu tun. Den Skalpell durfte nur führen, Blasensteine nur schneiden, den Star nur stechen, Brüche nur operieren, wer sich zuvor als ein tüchtiger Bartabschneider erwies – der Berufsweg des Chirurgen begann in der Barbierstube. Und die praktische Ausbildung der meisten Feldschere unterschied sich nicht von derjenigen des berüchtigten Doktor Eisenbart; etwaige Fertigkeiten in der Behandlung häufiger Krankheiten waren das Ergebnis einer blutigen, autodidaktischen Versuchsphase der hochstapelnden Frisöre. Tausende kamen bei ihren so genannten Operationen ums Leben.
    Erst allmählich, viel zu langsam, gewannen Lehrinstitute wie die königliche Charité an Boden, wo der medizinisch-chirurgische Nachwuchs unter der Aufsicht erfahrener Fachleute Diagnose und Behandlung im täglichen Betrieb üben und sowohl durch das Aufschneidenvon Leichen als auch anhand von Lehrpräparaten die Natur des menschlichen Organismus in Ruhe und ohne Gefahr für fremdes Leben studieren konnte.
    »Monsieur, was Sie hier sehen, ist die Lunge eines Mannes, den ein Blitz von solcher Stärke traf, dass die Sense, die er über der Schulter trug, vollständig geschmolzen ist. Wenn es Sie interessiert, kann ich Ihnen eines seiner Schulterblätter zeigen, in welchem sich das erkaltende Metall wie eine Intarsie eingelagert hat –?«
    »Aber außerordentlich gerne!« Langustier betrachtete den ihm gereichten Knochen sehr aufmerksam und legte ihn vorsichtig auf den Tisch. Es schien ihm an der Zeit, den Grund ihrer Anwesenheit zur Sprache zu bringen, und er wies Eller sein Permissionsschreiben vor. Dieser nahm es zur Kenntnis und sagte:
    »Sie sind wegen des unglücklichen Mordopfers hier, ich konnte es mir denken. Immerhin erscheint der Polizeipräfekt nur bei den allerwesentlichsten Fällen, will sagen, den unmittelbaren Staatsaffären.«
    Jordan, der hinzugetreten war, wurde blass wie Bleichspargel. Eller ergänzte:
    »Eigentlich ist es erst das zweite Mal, dass ich ihn überhaupt hier empfange. Sein letzter Besuch liegt ja bereits etliche Wochen zurück.«
    Der Polizeichef bemühte sich, Ellers Gesprächsfluss zu kanalisieren.
    »Wir wollen Sie nicht über Gebühr von Ihrer wichtigen Arbeit abhalten, Herr Professor. Kommen wir zu der Sache, die uns beschäftigt. Wieso sprechen Sie von Mord? Konnten Sie etwas herausfinden, was wir wissen sollten?«
    »Wenn Sie mir bitte folgen würden, meine Herren.«
    Jordan und Langustier stiegen hinter Eller in einen kühlen Kellerraum hinunter, wo Falckenbergs Überreste auf einem gemauerten Tische lagerten. Noch verhüllte ein Laken den Körper, doch der Pathologe schlug es umstandslos zurück.
    Langustiers heitere Miene bekam einen kleinen Sprung. In Falckenbergs Brust klaffte ein respektables Loch, genau an der Stelle, hinter der normalerweise ein intaktes Herz schlagen sollte.
    »Zugegeben, es ist nicht erfreulich anzuschauen«, pflichtete Eller bei. »Doch so spektakulär sie für den Laien aussehen mag, so war diese Verletzung doch keineswegs tödlich.«
    Eller, das sich nunmehr abzeichnende, wieder rein interessierte Erstaunen in Langustiers Gesicht genüsslich auskostend, machte eine wohl dimensionierte Pause, bevor er mit seinen Enthüllungen fortfuhr.
    »Am Eintrittspunkt der Kugel in die Uniformjacke, die Sie übrigens dort über dem Stuhl hängen sehen, fanden sich Spuren von anhaftendem Ruß. Daraus muss geschlossen werden, dass die Waffe beim Schuss nicht mehr als eine Handbreit von

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