Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
waren zu kurz, um auf diese Weise freizukommen. Er bückte sich und schien sich ohne ersichtlichen Grund völlig verstricken zu wollen.
»O – bitte, Herr Prefecteur! Helfen Sie mir!«
Unbesorgt um Samt und Seide attackierte Jordan das widerspenstige Gehölz und befreite den Festsitzenden. Langustier hielt einen glänzenden Gegenstand in der Hand, der sich bei genauerem Hinsehen als eine Pistole Schweizer Bauart darstellte.
Jordan hatte bis zu diesem Zeitpunkt der Annahme, Falckenbergs Tod könnte das Resultat eines bewaffneten Zweikampfes sein, keinerlei ernstliches Gewicht beigemessen. Sein Glaube an einen Jagdunfall war nachgerade unumstößlich gewesen, wenn auch das verschwundene Pferd des Toten etwas irritieren konnte.
»Mon dieu!«
Offenbar hatte der König recht behalten mit seiner Einschätzung,dass dem Koch besondere Fähigkeiten innewohnten. Seine Hände zumindest schienen Wünschelruten zu sein.
Langustier war sich sicher, dass die zweite Waffe ebenfalls noch zu finden sein müsste. Seine Überlegungen waren ganz auf einen vermeintlichen Zweikampf konzentriert.
»In der Tat – der ideale Ort für ein Duell«, konstatierte er, als er das malerische Arrangement aus Lichtung und frei stehender Eiche sah. »Er liegt fern der Straße und bietet dem allerletzten Blicke ein durchaus angenehmes Ambiente dar.«
Den Polizeichef schauderte es, denn damit war der Anlass ihres Waldspazierganges für seine Begriffe wieder allzu deutlich bezeichnet. Langustier hingegen, von derartigen Bedenklichkeiten unbeirrt, fragte sogleich nach dem Fundort der Leiche und ihrer genauen Lage. Anhand einer kleinen Skizze konnte Jordan, wiewohl er dem Abtransport des toten Falckenbergs nicht beigewohnt hatte, in allen Punkten Aufklärung geben. Langustier forschte am Boden nach Fußspuren, doch die Jäger hatten unter der Eiche derart viele hinterlassen, dass jeder etwaige Hinweis auf Falckenbergs Kontrahenten getilgt worden war. Einen Augenblick lang sah er sich unschlüssig um. Dann verlangte er allen Ernstes:
»Monsieur Jordan, wir müssen uns schießen! Um der heiligen Ehre willen!«
Mit gespieltem Pathos schaute Langustier seinen erstaunten Begleiter an. Aus zwei alten Astgabeln hatte er Stücke herausgebrochen, die wie Pistolen zu fassen waren, und reichte eine davon dem jetzt unsicher lächelnden Polizeipräfekten, der einen Spaß hinter diesem Tun vermutete. Doch Langustier hatte nichts weniger im Sinne als das.
»Die Stunde dürfte genau hinkommen. Um diese Zeit wird es geschehen sein. Wie würden Sie sich vernünftigerweise aufstellen, wenn Sie sich hier und heute mit mir schießen wollten?«
Langustier wartete gespannt. Jordan postierte sich zunächst in angemessener Entfernung vom Fundort des Toten unterm Baum,doch an dieser Stelle blendete ihn die Abendsonne. Er konnte Langustier, der den Part des zu treffenden Falckenberg übernommen hatte, trotz seiner Leibesfülle und bunten Kleidung kaum erkennen. Der Blätterschirm der Eiche, unter dem sein Gegner stand, machte es einem Schießwütigen bei dieser Beleuchtung unmöglich, sicher zu treffen – es sei denn aus einer Distanz, die aller Ehre abträglich schien. Dies änderte sich auf keinem anderen Punkt des Kreises, den Jordan mit seiner Holzpistole jetzt versuchsweise um den Baum beschrieb. Für kurze Zeit stand sogar dessen gewaltiger Stamm zwischen ihnen. Jordan, dem der Sinn von Langustiers Spiel mittlerweile aufgeschienen war, schloss also:
»Falckenberg kann unmöglich an der Stelle getroffen worden sein, wo man ihn gefunden hat. Der Kontrahent muss ihn unter die Eiche gezogen haben oder – wenn es Zeugen und Gehilfen bei diesem Ehrenhandel gegeben hat – mehrere Personen müssen ihn dorthin getragen und seinen Körper abgelegt haben. Sollte ihn einer allein bewegt haben, wären im Grase die Schleifspuren der Reitstiefel zu erkennen – selbst noch nach Tagen. Wären es mehrere Träger gewesen, müssten sich Spuren davon auf der halben Wiese finden. Weder das eine noch das andere ist aber hier zu sehen.«
»D’accord! Ganz Ihrer Ansicht«, sagte Langustier und senkte seine Holzpistole.
»Ein Duell ist etwas sehr Ästhetisches. Da stellt man sich ganz anders zu einer solch schönen Eiche – vor allem so, dass beide Schützen gleichweit vom Baum entfernt sind und die Sonne für keinen von Nachteil ist.«
Bis zum Dunkelwerden suchten Langustier und Jordan nach Hinweisen auf den wahren Standort der Duellanten und ihrer etwaigen Gehilfen, doch sie
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