Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
einen Mitarbeiter zugesellt, der vom angestammten Metier alles andere als prädestiniert schien zu dergleichen kriminalistischen Ausspähungen. Ein Schwindelanfall zwang Jordan zum Niedersitzen auf der nächsten Bank. Seine Umgebung kaum mehr als verschwommen wahrnehmend, sank er in den Sitz, seufzte und sprach laut vor sich hin:
»Ein Koch und ein Bibliothekar als Polizisten! Warum nicht noch ein Baumeister, ein Sekretär, ein Kammerlakai?«
Schritte näherten sich, weshalb er seinen weiteren Monolog verschluckte. Der Erste Hofküchenmeister Eckert führte ihm seinen neuen Kollegen zu, der sich den Spaß erlaubte, an die gerade mit angehörten Worte anzuknüpfen:
»Keine üble Idee, Monsieur, denn alle diese Berufe erfordern Umsicht. Was dem Baumeister an Kenntnissen abgeht, ersetzt leichthin der Sekretär und der Lakei gibt seinen Senf noch freiwillig mit hinzu. Allein, mir scheint, dass Se. Königliche Majestät hier aus mir unbekannten Gründen Diskretion wahren möchten. So werden wir beide uns wohl miteinander behelfen müssen. Gestatten Sie, dass ich mich Ihnen bekannt mache: Ergebenster kochender Diener Sr. Königlichen Majestät und tatkräftiger Hilfskommissär – Honoré Langustier!«
Jordan musterte sein Gegenüber – einen überaus wohlgenährten Herrn in weinroter, grün bestickter Seidenjacke, weißem Rüschenhemd,roten Samthosen, weißen Kniestrümpfen und schwarz glänzenden, zierlichen Schuhen mit Silberschnallen. Ein offenes Gesicht, mehr rund als länglich, strahlte ihm entgegen, mit den allerdeutlichsten Zeichen einer nie versiegen wollenden Lebensfreude – vollen, leicht geröteten Backen und tiefen Lachfalten. Als sich der Herr leicht vorneigte und dazu mit chevaleresker Geste seinen bunt befiederten Dreispitz zum Gruße schwang, sah Jordan, dass er es freigeistig verschmähte, eine Perücke zu tragen, was den Blick auf die hohe Stirn mit ihren Geheimratsecken im lässig nach hinten gekämmten, dunkelbraunen Haupthaar freigab. Vielleicht, überlegte Jordan, abrupt von seinen trüben Gedanken befreit, wäre ein gepuderter Kopfputz ja beim Kochen hinderlich und dem Geschmacke feiner Saucen abträglich, über die sich der Küchenchef beim Abschmecken wohl beugen muss, und er lüftete zögerlich nun ebenfalls seinen Hut, das Lächeln mit jedem Atemzuge fröhlicher erwidernd und seine Trauer vergessend.
Der verblüffte Polizeichef begriff schnell, dass dieser Langustier kein weltfremder Topfgucker war. Nichts von dem, was der König über den ›flötenden Straßburger‹ hatte verlauten lassen, schien ihm nun mehr übertrieben, eher im Gegenteil. Er war von einer heiteren Grundstimmung und hatte dabei die vorzügliche Manier, noch die dunklen Momente mit einer spielerischen Leichtigkeit wieder ins Hoffnungsfrohe zu wenden. Vornehm, empfindlich, aufgeklärt und mit vortrefflichem, einfachem Witze begabt, erschien Langustier dem geplagten Jordan als rettender Engel, und so säumte er nicht, in die Beratung über die vor ihnen liegende Aufgabe einzutreten.
Langustiers Vorschlag, sowohl den Ort des Geschehens als auch die sterblichen Überreste des armen Falckenberg umgehend in Augenschein zu nehmen, fand seine freudige Billigung. Zum einen ließen sich vielleicht tatsächlich noch Spuren entdecken, die seine Beamten in Eile und Aufregung übersehen hatten. Zum anderen würde er, Jordan, neben diesem sicheren und fröhlichen Mannedas Fürchterliche und Herzangreifende der unumgänglichen Inspektionen wohl ruhiger und gefasster ertragen können.
Wer die beiden angeregt plaudernden und gestikulierenden Herren in einer Mietkutsche davonfahren sah, wäre nie auf den Gedanken gekommen, zwei königliche Polizeikommissare mit dienstlichem Auftrage in ihnen zu vermuten. Befremdlich allerdings wäre es dem Beobachter erschienen, dass ihr Wagen an höchst entlegener Stelle im Wald zum Stehen kam und sich die beiden Insassen ungeachtet ihrer kostbaren Kleidung durchs Unterholz in Richtung auf die Bergische Eiche vorzukämpfen begannen. Jordan verharrte am Rand der sich bald zeigenden Lichtung und zeigte auf das schöne Herbstlaub des einsamen Baumes:
»Dort ist es geschehen.«
Langustier war jedoch noch nicht ganz bei ihm; er hatte sich in einem kleinen Dickicht aus Holunderbüschen, Waldrebenschlingen und Brombeerranken verfangen, das ihm strangulierend, peitschend und einhakend den Fortgang erschwerte. Er machte sich daran, das sperrige Naturwerk mit den Händen zur Seite zu biegen, doch seine Arme
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