Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
Gestalt seines vielgeplagten Kollegen, dessen Leichenblässe vom Mondlicht nicht eben gemildert wurde, ließ ihn aber von bohrenden Nachfragen für diesen Tag absehen. Schweigend rollten die Inspekteure bis zum ›Blauen Bären‹ nach Charlottenburg hinaus, wo sich Langustier verabschiedete, während Jordan zu seinem Quartier im Kavaliersflügel des Schlosses fuhr.
V
Das ›Schlösschen‹, drei Minuten vor dem Frankfurter Tor gelegen, war eine berüchtigte ›Tabagie‹ und ein beliebter Treffpunkt der Berliner Halbwelt. An Markttagen herrschte dort der regste Durchgangsverkehr von Fuhrleuten und Bauern, ansonsten aber ging es eher ruhig und heimlich zu.
Ihren feudalen Namen hatte die Bierkneipe in älterer, vornehmerer Zeit erhalten, als König Friedrich I., wenn er nach Schloss Friedrichsfelde hinausfuhr, dort frühstückte. Diese wortlose königliche Empfehlung war dem Lokal gut bekommen und hatte es drei Jahrzehnte lang in gutem Flor gehalten, bis sein ursprünglicher Besitzer mit einer Zuckersiederei Bankrott erlitt. Er hatte seine ganze Habe weit unter Preis losschlagen müssen, um nur die blanke Haut zu retten. Unter seinem ersten Nachfolger war das »Schlösschen« schon bald abgesunken. Die frühere Kundschaft hatte der Kaschemme den Rücken gekehrt und beim jetzigen Wirt, einem Luderjahn wie er im Buche stand, würde sich das nicht mehr ändern.
Der junge Ankömmling, der nun in elegantem Schwung die Tür öffnete, konnte auf den ersten Eindruck für einen inkognito reisenden Grafen oder Baron durchgehen. Vielleicht kannte er das Lokal in seinem früheren Zustande und hoffte hier, nach langer Abwesenheit, noch immer vornehme Gesellschaft zu finden? Der Sand, mit dem die Dielen der Schankstube bestreut waren, um die Illusion von Sauberkeit zu vermitteln, knirschte unter seinen feinen, stark angestaubten Stiefeln. Der Eingetretene ließ sich an einem freien Tisch am Fenster nieder, legte nur seinen Dreispitz ab, orderte gleich eine Sandweiße und bestellte eine Auswahl der Spezialitäten des Hauses. Dann aß er, als sei er drei Tage undNächte wacker durchgeritten, einen halben Schwartenmagen mit heißen Pellkartoffeln. Sein Pferd, ein gesunder, schlanker Brauner, der draußen vor dem Fenster an der Futterkrippe stand, zeigte keinen geringeren Appetit angesichts des ihm reichlich dargebotenen Hafers.
Argwöhnisch beäugten die morgendlichen Gäste den Unbekannten und machten sich ihre Gedanken über diesen feinen Pinkel, der es beim Essen durchaus vermied, seinen weißen Mantel mit den drei Reihen Silberknöpfen abzulegen. Eine rote Samtweste mit blauer, floraler Seidenstickerei schimmerte ihm auf der Brust. War er als geheimer Kurier unterwegs oder doch nur ein Strauchdieb, der es auf die feinen Damen abgesehen hatte? In diesem Falle allerdings stahl er sich mit sichtlich mehr Fortüne durchs Leben als seine Beobachter, beulte ihm doch, für jeden Gauner gut erkennbar, eine stattliche Geldkatze den Mantel zwischen Hose und Weste aus!
Vier Gestalten, eine Frau und drei Männer, saßen um einen verzogenen, kerbenübersäten Tisch neben dem Neuankömmling in der Ecke. Einer von ihnen wandte sich leise an den hinzugetretenen Wirt:
»Kennt ihr den fein bemehlten Ausgehungerten da?«
Doch Eusebius Hammann schüttelte den Kopf. Er schob sein braunes Käppi zurück und kratzte sich die rote, blank polierte Platte.
Obwohl er sich der Bekanntschaft sämtlicher zwielichtiger Gestalten rühmen konnte, die je durch das Frankfurter und das Landsberger Tor herausgekommen waren, hatte er diesen Stutzer noch nie gesehen. Achselzuckend trat er wieder hinter seine Theke zurück und putzte die trüben, glasiggrauen Bierkrüge. Dicke Blutwürste, Speckleisten und Schinken hingen reglos an den Haken einer schwarzen Eisenstange über ihm. Drei Reihen von Branntweinflaschen aller Couleur mit zweideutigen Inschriften, die von Liebestrankqualitäten des Fusels zu berichten wussten, standen ihmim Rücken. Und wenn er mit schmutzigem Lappen den Schanktisch wischte, begrenzten eine irdene Schüssel mit gekochten Eiern und eine Käseglocke auf welligem Holz die Bewegungen seiner Hand. Der dichte Fliegenbesatz legte von der Reife des verlaufenen Goldleistenkäses ein lebendiges Zeugnis ab.
»Mir scheint det ein rechtes Langohr zu sein, wenn ihr’s wissen wollt.«
Die anderen nickten zaghaft, denn jeder von ihnen hatte Grund genug, sich vor Spionen oder Spitzeln in Acht zu nehmen und war daher leicht zu bereden, in dem
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