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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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Schurz, Aufnahmeurkunde und Mitgliedsverzeichnis wurden ihm beigesteckt, dann legte man ihn im Nebenzimmer ab, um von lauten Schlafgeräuschen unbeeinträchtigt die kleine Tafelloge begehen zu können.
    Dem abwesenden Gourmet entging hierbei nichts. Eher war es ein Glück für ihn, die Küchenerzeugnisse des ›Cöllnischen Römers‹ zu versäumen. Langustier erwachte kurz, als man ihn in die Kutsche verfrachtete, die Jordan und ihn nach Charlottenburg zurückbrachte und begleitete den Vorgang mit der höflich geäußerten Frage, ob er denn jetzt schon im Himmel sei?

VII
    Die Gegend vor dem Rosenthaler Tor war ein
locus amoenus
, wie ihn der Hofmaler Pesne in seinen Schäfergemälden kaum schöner darstellen konnte: Weite Sandflächen wechselten mit dichtem, mannshohem Weidengebüsch und Halbinseln aus Heidekraut. Außer einer Windmühle auf der Kuppe eines flachen Hügels stand weit und breit kein Haus.
    Eleonore Charlotte von Marquard zeichnete mit der Schuhspitze verschlungene Linien in den vom Tau feuchten Sandboden. Seit Tagen kam sie jeden Morgen hierher, als könnte ihr der Ort den einzigen Menschen ersetzen, den sie für alle Zeiten an ihrer Seite geglaubt, und den sie jetzt so unbegreiflicherweise verloren hatte. Wenn sie hier ihre ziellosen Spaziergänge unternahm, war ihr, als seien all die vor Glück überschäumenden warmen Sommernächte noch in Busch und Kraut gegenwärtig.
    Noch einmal, vielleicht zum letzten Mal, gelang es ihr, die Stimme des Geliebten zum Leben zu erwecken. Ließe sich nur ungeschehen machen, was ihre erste Lust und Unbedachtsamkeit an Schmerzen nach sich gezogen hatte. Hätte sie ihn doch niemals kennen gelernt, sich ihm hier auf sandiger Heide damals nicht hingegeben! Sie begann zu weinen. Welch ein schändlicher Gedanke! Wie konnte ihr so etwas einfallen? Sie liebte Falckenberg wie am ersten Tag – und jetzt, wo er tot war, zu allem Unglück mehr als je zuvor.
    Die Gestalt ihres ungeliebten Gatten, des Obersten von Marquard, von dem sie schon lange getrennt lebte, erschien vor ihrem geistigen Auge. Obgleich sie es ihm verwehrte und seit Jahren auf die endgültige Lösung ihrer unglückseligen Verbindung drang, bemühte er sich hartnäckig, mit geist- und fühllosen Werbungen ihreLiebe wiederzuerlangen, die indes seit langem ausschließlich Falckenberg hatte gelten können. Schon diese Unnachgiebigkeit, dieses Hündische, Anhängliche war ihr widerwärtig erschienen, aber Marquard war, wiewohl sie ihm deutlich zu verstehen gegeben hatte, dass seine Mühe auch fürderhin ohne Ergebnis bleiben würde, nicht von seinem Wege abgewichen, hatte sie immer eindringlicher mit seinen nutzlosen Reden, Schwüren und Beteuerungen gequält.
    Wie war Marquard hinter ihre Verbindung mit Falckenberg gekommen, wo sie doch, um seinen Argwohn und seine Unberechenbarkeit wissend, alle erdenklichen Schliche und Wege zur Vertuschung genutzt hatten? Falckenberg, der schon aufgrund seiner Stellung am Hof Verschwiegenheit und Diskretion als oberste Tugenden kultivieren musste, hätte sich nie zu einer unbedachten Äußerung oder Prahlerei mit ihrer Zuneigung hinreißen lassen, das wusste sie gewiss.
    Die Bläue des Oktoberhimmels dehnte sich kalt. Vereinzelt fielen müde, gelbe, schwertförmige Blätter von den Weiden. Die Lerchen, die sich den ganzen Sommer über in die Luft geschraubt hatten, waren längst in den Süden geflohen.
    Im Gasthof ›Zur Neuen Welt‹ herrschte an diesem Freitagmorgen helle Aufregung. Seine Exzellenz, der Hohenfließische Sonderbotschafter in Preußen, Maximilian Edler von Waldegg, hatte in aller Herrgottsfrühe durch eine Staffette seine bevorstehende Ankunft melden lassen. Was der Gesandte derzeit so überaschend in Berlin verloren hatte, wo der König doch in Potsdam weilte und sich gar anschickte, für Wochen nach Rheinsberg überzusiedeln, interessierte hier niemanden, denn die Ankunft des Diplomaten bedeutete sicheren Gewinn für Tage, wenn nicht Wochen.
    Adrian von Beeren, der zwei kleine Zimmer im ersten Stock der ›Neuen Welt‹ bewohnte, nahm den Aufruhr nur am Rande wahr. Er wusste weder, wo dieser Zwergstaat ›Hohenfließ‹ eigentlich lag,noch begehrte er es zu erfahren. Seine glückliche Aufnahme in den Bund der Freimaurer war alles, was ihn beschäftigte. Das Diplom seiner Einweihung wieder und wieder hervorziehend und wie einen Fetisch zu magischem Gebrauche beschwörend, saß er am Fenster und sah gelegentlich auf die Straße hinab.
    Unter den Linden wurde

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