Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
Visier und eine deftige Füllung aus Hirschfleisch mit Steinpilzen für die Teigtaschen vorbereitet, was der Italiener indessen nicht tatenlos hatte hinnehmen wollen, da er ligurische Agnelotti aus dem Teig zu fertigen gedachte, in die ausschließlich Weißkohl und Frischkäse gehörten. Mit dem letzten Bröckchen Eis aus dem königlichen Tiefkeller auf der Stirn hatte Langustier gerade noch rechtzeitig eingreifen, den Streithähnen die Messer entwinden und sie zur anteiligen Produktion beider Füllungsvarianten anhalten können. Knobelsdorffs Arbeiter, daruntermehrere Italiener und Russen, hatten sich gar nicht genug über die Mischung begeistern können.
Nach ausgiebigem zweitem Schlafe war dann alles wieder bestens im Lot, wie die freitags offerierte Speisenfolge für die königlichen Handwerker bewies: Bouillabaisse mit Rotbarben, Rebhuhn mit Maronen und Porree, Gänseleberpastete und kandierte Schwarzwurzeln, getrüffelte Spinatnudeln sowie einen mit Holunderschnaps beträufelten Gugelhupf. Wären Se. Königliche Majestät zugegen gewesen, sie hätten es Verschwendungssucht genannt.
Jordan hatte sich im vertrauten Gespräch nach Tisch halb amüsiert, halb tadelnd über die Verfassung seines Kollegen während der Initiation geäußert, war aber dann schnell auf die zwischenzeitlichen Ergebnisse einer Untersuchung der von Langustier im Tiergarten gefundenen Pistole zu sprechen gekommen. Man habe eine Gravur entdeckt, die darauf schließen lasse, dass es sich – unabhängig davon, ob das Duell nun echt oder vorgetäuscht gewesen sei – wahrscheinlich nicht um eine Waffe aus Falckenbergs Besitz handele. Noch immer sei keine zweite Pistole gefunden worden, was die Duelltheorie natürlich nicht erhärte.
Langustier kam dies alles herzlich verworren vor. Es passte zu der laxen Art, mit der sein hauptamtlicher Kollege in solchen missliebigen Fällen vorzugehen pflegte. Die Duellthese war doch schon längst passé! Er erbat sich daher vom Polizeipräfekten die Waffe und betrachtete die fein ziselierte Initiale: ›M‹.
Als er Jordan davonziehen sah, fiel ihm siedendheiß die Mappe ein, die er in Falckenbergs Sekretär gefunden hatte. Er tastete die Taschen seiner Jacke ab und stellte mit Schrecken fest, dass er sie nicht bei sich trug! Hatte er sie in seiner partiellen Umnachtung verloren? Um des Himmels willen – wo waren die sichergestellten Papiere?
Er schickte kurzerhand einen der Küchenjungen – einen Belgier, der ihm durch die arbeitsame, gewissenhafte Art besonders vertrauenswürdig schien – zur Nachforschung nach Berlin. Bei Ellervor allem war nachzufragen. Vielleicht hatte aber der umsichtige Kutscher, da er in der verhängnisvollen Nacht schon so viel Geistesgegenwart bewiesen hatte, das Mäppchen in seinem Wagen gefunden? Das wäre freilich am günstigsten. An die Möglichkeit, dass der Verlust noch in der ehemals Falckenbergschen Wohnung oder im Stolzenhagenschen Treppenhaus, respektive auf der Straße eingetreten sein könnte, wagte er kaum zu denken. Er spähte verstohlen in der Küche umher, ging ins Vorratslager und bemühte sich, die Bewegungen des letzten Tages zu rekapitulieren – ein fast aussichtsloses Unterfangen. Im Blauen Bären konnte er Nachsuche halten, aber viel mehr fiel ihm nicht ein. Sollte er das Ding beim Freimaurerzauber verloren haben, wäre wohl über Jordan ein Drankommen. Er hätte sich ohrfeigen können über die eigene Nachlässigkeit. Momentan war in dieser Verlustangelegenheit wenig mehr zu unternehmen. Er wollte vermeiden, dass zu viele Neugierige von seinem Geheimauftrag Wind bekämen. Dann wurde er von dringlichen Geschäften abgelenkt. Küchenvorbereitungen in Hülle und Fülle waren zu treffen, denn am Sonntag würde mit einem Gartenfest, bei dem er durch königliche Depesche angewiesen war, die hauseigenen Köche der Königinmutter zu unterstützen, Erntedank gefeiert. Man war, von den warmen Septembertagen zum Ausharren verleitet, etwas über der Zeit. Um den vielen Gästen das Feuerwerk dennoch im herbstlich gelben Park vorführen zu können, würden mit offenen Kohlenschalen beheizbare Zelte aufgeschlagen. Eine Feldküche würde das Erwärmen vorbereiteter Speisen ermöglichen.
Langustier freute sich auf diese barocke Festlichkeit – das erste Hoffest, bei dem er mitwirken sollte. Und Marie dürfte mitkommen, das würde er arrangieren. Langsam musste dem armen Mädchen etwas geboten werden. Die Nachricht vom bevorstehenden Einzug in die Stadtwohnung hatte
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