Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
unterdrückte Schreie zu hören gewesen seien.
Es waren dem Manne jedoch, vor den für ihn nicht sichtbaren Geschehnissen unter den Arkaden, zwei Personen aufgefallen, im trüben Licht der Laternen aus der Schlossfreiheit herankommend, die sich an der Hausecke getrennt hätten. Der Mann bezeichnete den Toten als die eine der beiden Personen, den zuvor verabschiedeten Grafen als die andere. Insbesondere über das merkwürdige Versteckspiel dieses zweiten nächtlichen Spaziergängers habe er sich sehr verwundern müssen, da er ganz offenbar seinem Vorgänger gefolgt sei, in der Absicht, von diesem nicht bemerkt zu werden. Er sei, sichtlich mit Überlegung, außen an den Bögen entlanggeeilt, um den innen Gehenden zu überholen. Plötzlich jedoch, wusste der Beobachter noch zu berichten, sei er wie vom Erdboden verschluckt gewesen und wahrscheinlich unter die Arkaden gezogen worden.
Nach dem seinen Blicken verborgenen eigentlichen Überfall, hatte der Zeuge schließlich nicht mehr als vier Personen die Gänge verlassen und auf zwei neben der Kirche angebundenen Pferden durch die Brüderstraße davonreiten sehen, was alle Aussagen des Lotterieeinnehmers zu grenzenloser Wichtigtuerei degradierte.
»Sollte ein Mörder so dreist sein können, sich nach der Tat gefesselt neben seinem Opfer finden zu lassen, um allen Verdacht von sich abzulenken?«, fragte Langustier mehr sich selbst als Jordan. »Oder sollten die Räuber den eigentlichen Mörder, unseren Grafen, um ihn der Gerechtigkeit zu übergeben, als Schnürpaket zurückgelassen haben? Dies ist kaum anzunehmen, denn dann hätten sie ihm das Tatwerkzeug nicht fortgenommen, sondern in die Hand gesteckt oder doch wenigstens im Opfer stecken lassen.«
Jordan wusste hierauf keine Antwort. Dieser Einwand war in der Tat so entwaffnend, wie die vorangegangene Überlegung absurd erschien. Er wies einen seiner Männer an, den gerade verabschiedeten ›Grafen‹ umgehend in der ›Neuen Welt‹ aufzusuchen und zwecks nochmaligem Verhör im Marstall zu arretieren.
Langustier versuchte indes, die Angaben des Zeugen mit denen des Grafen übereinzubringen, konnte sich aber auf diese Verfolgungsgeschichte absolut keinen Reim machen. Sollte es dem Grafen an Bargeld gemangelt haben und es seine Absicht gewesen sein, den Obersten von Marquard um das seine zu erleichtern, so war diese Absicht vereitelt worden. Eine andere Variante fiel ihm beim besten Willen nicht mehr ein.
Stumpfsinnig brütend fuhren sie zur Charité. Im Gepäckkasten der Kutsche stand, notdürfig verschnürt wie ein langes, schmales Paket, die Leiche des Obersten von Marquard und bewegte sich im Gerüttel und Geschüttel des Gefährtes ungelenk hin und her. Jordan hatte den Leichnam nicht neben sich sitzen lassen wollen.
Als sie in den dunklen Innenhof einfuhren, schien es, als hätten sie in dieser Nacht kein Glück. Ellers Studierstube war unbeleuchtet. Doch ein Krankenwärter, der in ihrem Transport erst einen eintreffenden Notfall vermutete, ging sogleich auf die Suche und konnte den Leiter des segensreichen Instituts nach kurzer Suche in einem der Säle aufspüren.
Ellers Erstaunen über den angelieferten Toten hielt sich in Grenzen. Das Präsent, das sie dem Doktor mitgebracht hatten, war freilich kaum geeignet, dem Fachmanne etwas aufregend Neues zu bieten. Schon nach kurzer Besichtigung der Leiche konnte er einen ins Herz geführten Stich als die tödliche Verletzung angeben. Allenfalls erstaunte ihn, dass diese beiden seltsamen Kommissare schon wieder mit einem mutwillig Verabschiedeten bei ihm auftauchten. Sie zogen das Verbrechen ja förmlich magisch an.
»Das sieht mir nach militärisch geübtem Handwerk aus.«
Warum Eller jetzt das Marquardsche Herz herausnahm, war Langustier nicht recht ersichtlich. Es geschah natürlich aus naheliegendem medizinischem Interesse des Doktors, der auch weit nach Mitternacht Energie und Umsicht für die Vorbereitung aufwendiger Präparationen erübrigen konnte und sie mit bewundernswürdiger Gewandtheit ins Werk zu setzen verstand.
Jordan hatte sich schon bei den ersten tieferen Schnitten empfohlen und schritt in einem der schlecht beleuchteten unterirdischen Gänge wartend auf und ab. Langustier dagegen trat aus anatomischem Interesse näher hinzu. Das Filettieren von Herz und Lunge war ihm eine tägliche Arbeit, weshalb er dem Umstand, es hier mit dem wichtigsten Teil eines Menschen zu tun zu haben, nur marginale Bedeutung beimaß.
Eller hob das Herz behutsam
Weitere Kostenlose Bücher