Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
zelebrierte? Die Abergläubischen schauderten bei dieser nahe liegenden Vorstellung und zogen sich bange die Laken übers Gesicht.
Manchmal ließen sich Lachen und Gröhlen vernehmen, dann war es, als würden ganze Batterien von Flaschen und Gläsern auf dem Dachfirst zerschmettert. Nach kurzer Stille hob das Geschwärme nur desto lauter wieder an, bis sich endlich einer der geplagten Gäste ein Herz fasste, aufstand und zum Wirt hinunterstieg. Flehentlichstbat er diesen, einen Priester oder Beschwörer zu holen, um das Haus von der Teufelspest loszusprechen und geweihtes Wasser in alle Ecken zu versprühen, damit die Ungetüme daran gehindert würden, auch noch die Dachschindeln abzuräumen.
Der Wirt, Eusebius Hamman, stellte sich, als ob er von alledem nichts bemerkt hätte. Erst als das Gepolter nun unüberhörbar wieder einsetzte, erklärte er es für die Wirkung von eingeschlichenen Tieren – ja es seien wohl Marder, die auf dem Dachboden des Öfteren ihre nächlichen Jagden veranstalteten, das sei schon vielen Gästen bedrohlich erschienen, aber man brauche sich keine Gedanken darüber zu machen; es berge keine Gefahr in sich. Und so abergläubisch, an Geister oder gar Teufelsbrut zu denken, werde doch keiner der Herren sein?
Damit sich jedoch ihr Argwohn, in einem verhexten Hause zu nächtigen, gänzlich zerstreuen möge, stieg er sogleich in höchst eigener Person, nur mit einem einfachen Stock bewehrt, hinauf, um dem vorlauten Gezücht das Rumoren auszutreiben. Ungläubig zog sich der Gast wieder in seine Kemenate zurück, den Mut des Wirts bewundernd, der Anstalten machte, über enge Stiegen und Leitern in die oberen Dachgefilde hinaufzuklettern. Als die merkwürdigen Laute nach einer Weile tatsächlich verschwanden, glaubten die Gäste das Märchen vom lärmenden Getier und fielen erschöpft in den verdienten Schlaf.
Die Bande des ›Marders‹: der ›Grenadier‹, die ›Turinerin‹ und der ›Einäugige‹, war außer Rand und Band. Als Hamann die Bodenluke zu ihrem Versteck unterm Dach aufstieß, hatten sie sich bei den Händen gepackt und umtanzten nach Kosakenmanier die Goldmünzen auf einem Tuch in der Mitte des Bodenraumes. Auf einem groben Holztisch türmten sich die Reste einer Hühnerfamilie, Flaschen gähnten geleert zwischen den Gerippen. Von etlichen anderen, in die Winkel des saalartigen Raumes geschleuderten Glasbehältnissen waren nur noch Scherben übrig.
Vater Hamann beschwor den Marder, sofort für Ruhe zu sorgen,damit ihr Schlupfwinkel nicht entdeckt würde. Er habe seinen Gästen erklären müssen, dass sich wohl ein Marder auf dem Boden herumtreibe. Die Turinerin lachte hellauf, während der Marder sofort Stille gebot. Eilig band er das Tuch mit dem Gold zusammen, nicht ohne dem Wirt zwei blanke Dukaten in die Taschen zu schieben.
Der Grenadier schlug aus irrer, besoffener Wut mit der Faust auf die Tischplatte, stampfte urgewaltig mit dem rechten Fuß auf, dass der Knochenberg schepperte, die leeren Flaschen durcheinanderpurzelten und der gesamte Dachstock wie von einem mittleren Erdbeben erzitterte. Dafür bekam er vom Einäugigen einen herben erzieherischen Schlag in die Rippen. Doch statt sich zu wehren, kippte er einfach um. Zwar landete er unsanft auf dem Rücken, dass der Kopf wie ein Holzscheit auf den Boden knallte, doch sein Hirnkasten hielt eine Menge aus. Einmal liegend verfiel er sofort in den traumlos-mechanischen Schlaf des Rohen, Ungehobelten, Ungerechten.
Der Mond lugte durch die Ritzen zwischen den Dachziegeln. Es zog kalt herein. Der Marder, die Turinerin und der Einäugige taumelten auf ihr kärgliches Strohlager. Der Wein und die geraubten Münzen, die ihr rauhes Gemüt erwärmten, genügten ihnen vollauf zum Schutz vor der Kälte. Der Grenadier lag mit nichts als der dünnen Decke seiner eingerissenen Uniformjacke auf den nackten Holzplanken.
Der Wirt stieg wieder nach unten. Der Gedanke an die Dukaten, von denen ihm freigebig mitgeteilt würde, solange er den Marder und seine Bande beherbergte, beschwichtigte seinen Groll.
Um sicher zu gehen, dass die Unholde wirklich Frieden gäben, horchte er noch einen Moment an der spaltbreit geöffneten Luke. Und was er hörte, beruhigte ihn ungemein.
XI
In Haudes Kontor herrschte an diesem Morgen besondere Anspannung, wie immer, wenn die ›Berlinischen Nachrichten‹ in Druck gingen. Noch vielerlei Kleinigkeiten und letzte Änderungen mussten zum Redaktionsschluss hin berücksichtigt werden, was höchste
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