Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
Magenverstimmung eingetragen hat, und ich mich daher ohne besonderes Ziel auf einen kleinen Spaziergang begeben habe, der mich ebenso zufällig wie absichtsloshier vorüberführte. Ich hatte meinen Weg ums Schloss genommen und wollte, als sich die leiblichen Beschwernisse beim Gehen wieder hinlänglich verflüchtigt hatten, eilig den Weg zum Lustgarten nehmen, um mir von dort das Feuerwerk anzusehen. Anschließend gedachte ich mich aber umgehend zur Nachtruhe zu begeben.«
Langustier gab sich vor der Hand mit dieser Auskunft zufrieden und verabschiedete den Grafen höflich, der sich sogleich empfahl, zu seiner Sicherheit vom Polizeioffizier mit der Laterne eskortiert. Er möge sich, fand es Jordan noch wichtig zu bemerken, für unter Umständen nötig werdende weitere Fragen, in den kommenden Tagen zu ihrer Verfügung halten – ein Ansinnen, das Steffen mit einer huldvollen Geste beantwortete.
Als er gegangen war, sagte Langustier zu Jordan:
»Erscheint es Ihnen nicht ebenfalls verwunderlich, dass der eine gefesselt wird, der zweite gemordet? Wo bleibt da die Rationalität? Es ist viel komplizierter und zeitraubender, einen gesunden Mann zu fesseln und zu knebeln, als ihn zu erdolchen.«
Indessen, überlegte Langustier, konnten während dieses verschlungenen räuberischen Unternehmens, bei dem sicher mindestens zwei, aller Wahrscheinlichkeit nach aber drei oder noch mehr Personen zusammengespielt hatten, allerlei unvorhergesehene Fälle eingetreten sein. Die vermeintlichen Raubmörder mochten auf diese Ereignisse zu aufeinanderfolgenden Zeitpunkten verschiedene Antworten gegeben haben. Der unfreiwillige Zeuge oder mögliche Beobachter von Steden wurde kaltgestellt, wozu es nicht viel bedurfte, der aufgeschreckte, ihm zu Hilfe eilende von Marquard dagegen im entbrannten Kampf in der blanken Bedrängnis von einem der Ganoven ums Leben gebracht. In der Dunkelheit könnte der Eindruck entstanden sein, er hätte seinen Offiziersdegen gezückt, was aber sichtlich nicht der Fall gewesen war.
Die wirren Reden der Gruppe um Frommery hielten Jordan und Langustier weitaus länger auf. Der geschädigte Lotterieeinnehmer wusste neben seinem Gejammer kaum einen geraden Satz herauszubringen.Es gelang den Fragern nur mit Mühe, den Hergang des Raubüberfalles grob zu rekonstruieren. Mehrere Personen, seien es nun fünfzehn oder zwanzig gewesen, hätten ihn und seine beiden Gehilfen, die Träger der Geldkiste, sogleich beim Öffnen der Ladentür überwältigt, gerade als sie den Oberst Marquard erwarteten, der ihrem kleinen ›Transport‹ Geleitschutz hätte geben wollen.
Auf die Frage, warum der Oberst sich zu diesem ungewöhnlichen Dienst bequemt habe, deutete Frommery nur an, dass er von Marquard schon verschiedentlich für seine eigentümlichen Spekulationen mit seltenen Gewächsen finanzielle Sicherheiten gewährt hatte und seine Begleitung somit als eine Art von symbolischer Geste zu betrachten gewesen sei. Mit einer wirklichen Gefahr hätten weder er noch der Oberst im Entferntesten gerechnet.
Völlig überrascht seien sie gewesen und nicht in der Lage, auch nur einen der Räuber klar ins Auge zu fassen; schon hätten sie, mit betäubenden Schlägen zu Boden getrieben und sogleich an den Händen gebunden, dagelegen. Nach dem Baron von Steden gefragt, den man neben dem Ermordeten betäubt aufgelesen habe, konnte Frommery keine Auskunft geben. Er kannte ihn nicht, hatte ihn nie gesehen. Es handele sich wohl, mutmaßte der Lotterieeinnehmer, um einen durchreisenden Fremden, der zufällig in diese Mordaffäre hineingeraten sei.
Über der aufgebrochenen Geldkiste fiel Frommery wieder ins Stammeln, Schluchzen und Schwanken, so dass ihn die Gehilfen stützen mussten und die Kommissare ihre Anhörung und die Besichtigung des Tatorts schon beenden wollten. Jordan und Langustier bestiegen ihre Kutsche, die inzwischen mühsam beladen worden war, und schickten sich gerade an loszufahren, als ihnen durch einen der Polizisten ein letzter Halt nahegelegt wurde.
So hatte sich also doch noch ein Zeuge gefunden. Ein Bewohner des Hauses, der zum Zeitpunkt des Verbrechens in Erwartung des Feuerwerks einen kleinen Balkon in der Mitte der Front betretenhatte, schien eine sachdienliche Beobachtung gemacht zu haben, die des Verweilens wert war. Vom Tathergang konnte er leider fast nichts berichten, da sich so gut wie alles, wie er angab, im Schutze der Bogenlaube abgespielt habe und nur schwache Geräusche, halblaute Kommandos und
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