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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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üblichen, bei dem nach ein, zwei Wochen Müßiggang das alte Elend wieder anklopfte. Dies wäre ein anhaltender Goldregen!
    Kallmorgen und die Seinen hatten durch das plötzliche Ungestüm etwas zu tief gesägt, so dass der kritische Punkt bereits überschritten war. Kallmorgen brüllte in die Runde:
    »Hooo! Obacht! Baum kommt!«
    Die Keile lösten sich, und sie konnten das riesige Sägeblatt rasch zurückziehen. Das leise Knacken ging in ein singendes Gegurgel, in ein Rascheln und schließlich Rauschen über. Die herbstlich gelichtete Eichenkrone schleifte im Geäst der Nachbarbäume, als der Gigant zu fallen begann. In Windeseile lag er um und der Boden vibrierte vom dumpfen Aufprall des ungeheuren Baumkörpers.
    Für von Schlütern war der gefällte Baum wie ein Gleichnis. Bald wäre er am Ziel. Nicht mehr lange würde es dauern – nicht mehr lange, dann würden alle Widerstände fallen.
    Das Haus an der Petrikirche gehörte dem ehemaligen königlichen Munitionsmeister Christian Casimir Creuz. Seit seiner vorzeitigen, unehrenhaften Entlassung aus der Armee galt er als bemitleidenswerter Sonderling. Wie eine verfluchte Last ruhte ein Unglück auf ihm, das sich vor zwanzig Jahren ereignet hatte.
    Am 12. August 1720, etwa anderthalb Stunden vor Mittag, hatte Creuz bei einer Inspektion der Ausleerung des Pulverturms am Spandauer Tor Tabakgeruch bemerkt, was ihn vermuten ließ, dass ein Soldat seiner Wachmannschaft sträflich die Vorschriften missachtete. Als der Vorgesetzte nachsehen und den Sünder verwarnen wollte, schleuderte ihn eine Detonation von unglaublichem Ausmaß zu Boden. Ein Türbogen aus Sandstein kam glücklich über ihm zu liegen und verhinderte seinen Tod, wohingegen in der Umgebung Grauen und Verderbnis wüteten. Der Turm zersprang bei der Explosion in fünf Stücke, wovon die dicke gemauerte Spitze das Heilig-Geist-Spital in Grund und Boden schlug und abprallend in die Garnisonkirche ein klaffendes Loch bohrte. Ein zweiter fortfliegender Teil riss das Dach und eine Ecke des Glasenappschen Hauses weg, ein dritter zerschmetterte die halbe Garnisonschule, der vierte zerstörte das Kühnsche Haus und die Ruppiner Herberge, der fünfte und letzte traf hinwiederum Lazareth und Heilig-Geist-Kirche. Zweiundsiebzig Menschen wurden durch Zerquetschen und Erschlagen von ihrem Dasein jämmerlich erlöst, darunter 12 Bombardiere im Turm und 36 Soldatenkinder in der Schule, 17 Personen in den übrigen Häusern und der Rest auf der Straße. Unglücklicherweise kam gerade im fatalen Momente des Ereignisses eine Fahrpost vorbei und wurde ebenfalls hart blessiert, wobei der Postillion knapp dem Tod entrann, vier der sechs Insassen jedoch ihr Leben ließen: Ein Maler, ein angehender Prediger, eine Mutter mit ihrem Neugeborenen auf dem Schoß.
    Der bejammernswerte Creuz musste unter dem Druck dieser Explosion schier vergehen. Obwohl ihm niemand etwas nachweisen konnte, so war doch der Umstand, dass er wohl Tabak und Zündschwammnoch bei sich trug, seine Pfeife jedoch am Ort des Geschehens unauffindbar blieb, für viele seiner Beschuldiger Grund genug, ihm zeitlebens mit Misstrauen zu begegnen. Die Verantwortung für seine Soldaten nahm ihm niemand ab, wie sehr sie im Einzelnen durch eigene Fahrlässigkeit das Unglück verschuldet haben mochten.
    Der Umstand, dass zehn Jahre später, an Pfingsten 1730, direkt gegenüber des Creuzschen Hauses die Petrikirche zusammenstürzte, war kaum geeignet, die Vorbehalte gegen ihn verschwinden zu machen. Wiewohl sich klar erweisen ließ, dass die Ursache für diesen Einsturz ein Blitzstrahl gewesen war, kreidete man hinter vorgehaltener Hand diese Katastrophe ebenfalls dem Creuz an. Hantierte er nicht noch immer mit Pulvern und explosiven Säuren?
    Dass der Turm des Kirchenneubaues vier Jahre darauf erneut zusammenstürzte, überzeugte auch die letzten Zweifler von seiner schlechten Ausstrahlung. Was kümmerte es, dass man den schludrigen Architekten schlimmer baulicher Unterlassungen zieh? Creuz wurde allseits geächtet, zog sich ganz in sein Haus zurück und widmete sich nur verstärkter jener dunklen Beschäftigung, die sein Leben schon vorher bestimmt hatte – der Farbenchemie und der Alchemie.
    Die Kosten für seine kärglichen Lebensbedürfnisse konnte er aus dem Erlös seiner kleinen Farbenproduktion leichtlich bestreiten. All sein übriges Einkommen floss jedoch in andere, längerfristige Proben, die er anstellte und die eher unter den Auspizien der ›königlichen‹

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