Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
nicht nur nicht der Mörder, sondern obendrein geflohen«, vervollständigte der Polizeichef.
»Was er gesehen hat, hat er uns ja schon gesagt – nämlich so gut wie nichts.«
Der Zweite Hofküchenmeister ließ die Hände wieder sinken. Immerhin hatte Jordan die Marquardsche Wohnung visitiert und eine Schatulle voller Zwiebeln mitgebracht.
»Das war das einzig Merkwürdige, was wir finden konnten. Ich dachte, es könnte eventuell noch für die Küche taugen.«
Langustier drehte eine der Knollen in der Hand, wiegte bedächtig den Kopf und blies den Atem vorsichtig durch den Mund aus. DerHofgärtner Krause, der just vorbeiging, um die Aufräumungsarbeiten seiner Gehilfen zu kontrollieren, konnte nicht umhin, einen neugierigen Blick auf den Gegenstand des Langustierschen Interesses zu werfen. Dieser winkte ihn herbei und sprach die Zauberworte:
»Tulipa aquamarina!«
Krause stand das Herz still, und seine Augen wuchsen förmlich mit der Betrachtung der Zwiebeln. Langustier zeigte Jordan die Anzeige aus der Falckenbergschen Mappe.
»Was Sie gerade der königlichen Tafel verschrieben haben, hat einen Preis von etwa 100 Taler das Stück. Sr. Königlichen Majestät Ordre lautet indessen, dass pro Tag nicht mehr als 33 Taler für Lebensmittel ausgegeben werden. Ich fürchte, dass wir mit diesen Zwiebeln Schwierigkeiten bekommen …«
Jordan zählte fieberhaft nach, während die Schachtel in seinen zitternden Händen vibrierte. Fast hätte er Tulpenzwiebeln für 1200 Taler zum Verzehr freigegeben! Erst hatte er sie einfach in den Vorratsbehälter werfen wollen. Doch wer konnte das ahnen – wer außer Langustier und dem Hofgärtner?
Jordan entschied, dass der Gärtner gegen eine Empfangsbescheinigung die korrekte Aufbewahrung dieser botanischen Wertsachen übernehmen sollte. Krause konnte es kaum fassen. Der König würde im Frühjahr Augen machen! Mit etwas Glück ließ sich der Schatz verdreifachen und bei einer solchen Sorte dürfte der Preis stabil bleiben.
Langustier sah einem herbstlich verfärbten Blatt zu, das träge von einer Kastanie herabsegelte. Er erzählte Jordan vom Inhalt der Falckenberg-Mappe, aber der Polizeichef wusste sich auf die Hohenfließische Mission des Oberst von Marquard genauso wenig einen Reim zu machen.
Langustier fühlte sich plötzlich sehr ermattet. Die letzten Tage hatten es in sich gehabt. Wahrlich, seinen Berliner Auftakt hatte er sich anders vorgestellt.
XII
Schloss Schönhausen inmitten hoher Bäume war am Morgen des folgenden Dienstags noch ganz von Nebeln umschleiert, als der Baron Friedrich von Schlütern mit seiner Kalesche anlangte.
Die Strecke von Berlin dort hinaus konnte man Kutschreisenden eigentlich kaum zumuten. Trotzdem vermehrte sich der Verkehr auf dem holperigen Agrarweg mitten durch Wiesen und Kornfelder beständig.
Seit die Königin Elisabeth-Christine, Tochter des Herzogs von Braunschweig, in diesem alten, heruntergekommenen Kasten von einem ehemaligen Schloss ihren dauerhaften Wohnsitz genommen hatte, gehörte es für alle auswärtigen Herrschaften und Gesandten zum guten Ton, ihr einen Höflichkeitsbesuch abzustatten.
Der König hatte seiner Frau dieses völlig verwahrloste Anwesen zwischen den Dörfchen Pankow und Schönhausen zum Geschenk gemacht, damit ihr wenigstens eine kleine Aufgabe gestellt wäre, wo sich ihre Rolle im neuen Staatswesen doch ansonsten auf die nominelle Existenz beschränkte. Zur Königin an der Seite ihres Ehegemahls sollte sie es nicht bringen.
Am 28. August war es zum letzten Mal geschehen, daß der König den beschwerlichen Weg auf sich genommen hatte, denn an diesem Tag hatte er die Residenz seiner Frau offiziell eingeweiht und sie dem Hofstaat pro forma als Königin präsentiert. Notdürftig waren Park und Schloss illuminiert und mit Statuetten verschönt worden. Beim Konzert im Großen Saal hatten Se. Königliche Majestät höchst eigenhändig die Flöte traktiert.
Elisabeth-Christine gefiel es immerhin nicht schlecht, von den Gästen ihres königlichen Gatten hofiert zu werden und die Honneursmachen zu dürfen. Es gab ihr das Gefühl, noch am Leben und als Königin geachtet zu sein. Sie schickte sich allmählich in ihr Landleben und begann, das ihr zugewiesene Exil so idyllisch wie möglich auszugestalten. Gerne legte sie einmal mit Hand an, etwa in der kleinen Meierei an der Panke, wo für den Bedarf ihres kleinen Hofstaates Gemüse, Obst, Milch, Käse und Brot produziert wurden. Der angekommene von Schlütern
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