Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
auf einem der zahlreichen Heuböden nur eine alte, schmuddelige und übel eingerissene Uniformjacke gefunden. Doch dieser abgetragene königsblaue Fetzen hatte immerhin ein fast quadratisches Loch, welches mit dem von Langustier am Tatort des Marquard-Mordes aufgelesenen Stofffetzen ziemlich exakt zu schließen war. Es lag daher nahe – und Langustier zögerte nicht, Jordan in diesem Punkte zuzustimmen –, dass die vermeintlichen Raubmörder im ›Schlösschen‹ genächtigt hatten. Während der Wirt die rasche Durchsuchung des Dachstuhls, aus dem die verdächtigen Geräusche gekommen waren, mit Erfolg behindert hatte, indem er sich zunächst äußerst schwer tat, eine Leiter zu finden, mit der man hinaufgelangen konnte, waren die heimlichen Gäste aus den Oberstübchen des alten Gemäuers ausgeflogen. Zersprungene Gläser und Flaschen in Hülle und Fülle, Berge von Wachs, Hühnerknochen und Brandspuren wiesen eher auf ein Saufgelage als auf eine Teufelsmesse.
Jordan berichtete:
»Der Wirt, ein glatzköpfiger Schurke und Halsabschneider, der seinen Gästen nicht nur gepanschte Weine, sondern zuweilen Wurst aus Katzen- und Hundefleisch vorsetzte, bestritt vehement den Aufenthalt irgendwelcher unausgewiesener Gäste unter seinem Dach. Wenn solche in den oberen Kammern sich eingeschlichen hätten, so müsse dies vollkommen ohne sein Wissen und Gutheißen vonstatten gegangen sein, was er nicht nur nicht für möglich halte, sondern ganz und gar für ausgeschlossen ansehen möchte.
Allerdings fanden sich – hinwiederum zu seinem allerhöchsten Erstaunen – zwei Golddukaten einer seltenen Sorte bei ihm, die unzweifelhaft der gestohlenen Geldmasse entstammten, welches einer Liste der entwendeten ausländischen Währungen entnommen werden konnte, die der bestohlene Frommery noch in der Nacht der Tat vorgelegt hatte. Auf sein störrisches und völlig törichtes Ableugnen noch dieses unabweislichen Umstandes, der die persönliche Bekanntschaft des Wirts mit den ausgeflogenen mitternächtlichenGästen praktisch sicher erwies, wurde er kurzerhand zum weiteren Verhör in die Hauptwache des Kürassierregiments Gens d’armes im Marstall verbracht, wo man noch zum gegenwärtigen Zeitpunkte bemüht ist, ihn wohl zu drangsalieren und zu einer wahrhaftigen Aussage zu bewegen.«
Langustier wollte weder mit derartigen Verhören noch mit üblen Vertretern seiner eigenen Zunft irgendetwas zu schaffen haben, weshalb er das Anerbieten Jordans, dem Rituale beizuwohnen, dankend zurückwies.
Um endlich seine Wissbegierde hinsichtlich der ominösen kleinen Grafschaft zu stillen, die ihm schon seit Tagen den Kopf mit ihrer abstrakten Existenz belastete, hatte er Jordan nach einer Person gefragt, die ihm über die Braunfeldisch-Hohenfließischen Verhältnisse Auskunft geben könnte, und war an den (laut Meldeliste) vorzeitig in Berlin abgestiegenen Botschafter besagten Zwergstaates verwiesen worden. Nach diesem Hinweis, der dem hilfsbereiten Jordan wie automatisch von den Lippen gesprungen war, mochten ihn jedoch Skrupel beschlichen haben, ob sein Freimut in dieser Frage nicht etwas unbedacht gewesen und ihm nicht noch einmal eine Rüge von allerhöchster Stelle eintragen könnte. Der sich bedankende Langustier wusste die Zeichen von Reue in Jordans Gesicht leicht zu deuten, zumal der Polizeipräfekt ganz und gar kein Talent besaß, jene steinerne Miene anzulegen, die den echten Diplomaten auszeichnete.
Graf Maximilian von Waldegg war mit dieser für seinen Berufsstand so notwendigen Gabe dagegen überreich ausgestattet. Indem er Langustier mit einer Mischung aus generöser Herablassung und äußerster Gleichgültigkeit gegenübertrat, schien es unmöglich, diesem Manne ein Sterbenswörtchen in irgendeiner noch so entfernt beiherspielenden Frage zu entlocken. Hätte man ihn nach der Wetterlage gefragt, er hätte es gewiss verstanden, mit Würde und Unverbindlichkeit auf Gottes unergründliche Ratschlüsse hinzuweisen, die ungünstigen Einflüsse der Alpen oder des Rheinstromesauf die kontinentalen Klimate in Anrechnung zu stellen ohne nur den Ansatz eines völlig belanglosen Hinweises in Bezug auf das Gefragte von sich zu geben. Langustier spürte diesen nicht gerade hilfreichen Umstand bereits bei den ersten Silben, die er zum Zwecke der Begrüßung mit dem eleganten Manne austauschte. Dennoch ließ er sich nicht beirren.
»Meine Verehrung, Monsieur. Ich komme in einer Angelegenheit, die Ihnen wahrscheinlich höchst kryptisch
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