Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
Kinder verschwinden ließ.
Bei verschiedenen Herren war die Turinerin anstellig gewesen, nie jedoch länger als ein, zwei Monate. Mehrfach hatte sie den Dienst gar nicht erst angetreten, sondern sich lieber mit dem kassierten Handgeld aus dem Staub gemacht, das je nach Stand der geprellten Herrschaft acht, zwölf oder sechzehn Groschen betragen konnte, wovon die Maklerin die Hälfte einstrich.
Aber kurz angestellt zu sein, konnte ebenso einträglich sein: Saß die Herrschaft bei Tisch, konnte die Gesindefrau den halben Braten aus dem Hause tragen und ganze Krüge mit Bier fortschleppen. Auch verachtete die Samuelin kein fremdes Hand- oder Tischtuch.Die Mägde hatten Spinde an ihren heimlichen Schlupfwinkeln in der Stadt, wo hinein sie fleißig sammelten, was immer in ihre langen Finger geriet.
Ihre Artgenossinnen bei der Samuelin waren wegen ihres losen Mundwerks, wegen Dieberei, Lügens und Betrügens, Tratschens, Klatschens, Naschens, Saufens, wegen heimlicher Buhlschaften oder längeren Fernbleibens vom Dienst schon so oft fortgejagt, dass man hätte glauben müssen, es werde nicht mehr weitergehen mit ihnen. Dennoch hatten sie, dank der geschickten Maklerin, immer wieder ein neues Auskommen gefunden. Und ging einmal gar nichts mehr, dann zog die Alte mit ihnen auf den Dörfern herum und verkuppelte sie an Burschen und Soldaten, was ihr denn ein ziemliches Geld eintrug. Bekam eine Magd davon ein Kind und ließ sich’s nicht mehr verbergen, so wurde sie als Amme untergebracht und hatte die schönste Zeit und das beste Essen und Trinken.
Schließlich war es der Turinerin gelungen, sich ohne Dienstschein einstellen zu lassen und ihre unvorsichtige Herrschaft darob beim Unterfiskal anzuzeigen. Für diese Dreistigkeit hatte sie 20 Dukaten, das war der fünfte Teil der Strafe, bei der Behörde abholen dürfen. Nicht mehr willens, mit der Gesindehökerin zu teilen, war sie mit ihrem Reichtum in eine kleine eigene Stube gezogen und hatte sich seitdem an der Langen Brücke verdingt, wo das älteste Gewerbe einen jedermann bekannten Stand unterhielt.
Da sie ausnehmend schön war, was ihr bereits der treulose Graf auf schmähliche Weise attestiert hatte, war sie unter dem Großen Kurfürsten nie lange um Bekanntschaften verlegen gewesen, die für einen halben Taler ihr Amüsemang hatten finden wollen. Manchmal waren noch andere Aufträge dabei abgesprungen, nicht immer gefahrlose, aber nur selten schlecht entlohnte.
Auf diesem Wege hatte sie den Marder kennen gelernt und sich mit ihm zusammengetan, denn das luftige Gaunerleben, das er mit seinen Spießgesellen in den Randbezirken Berlins, Cöllns oder inden dichten Wäldern des Umlandes führte, war ganz nach ihrem Geschmack.
Der Marder kannte die Nöte und Gewinn bringenden Talente des Berliner Gesindes sehr genau und verstand beides mit meisterlichem Geschick zu nutzen. Etliche Mägde und Lakeien dienten ihm als Kundschafter oder ›Anzeigenverkäufer‹ für Einbrüche und Diebstähle – gegen Beteiligung an der späteren Beute, versteht sich. Um die Abwesenheiten ihrer Brotherren wissend, um Nachschlüssel und Grundrisse nicht verlegen sowie mit der Kenntnis der geheimen Verstecke der Kleinodien, Pretiosen und des baren Geldes bestens ausgestattet, verrieten sie günstige Gelegenheiten zur Erleichterung ihrer Herrschaften und sperrten den Dieben auch schon mal eigenhändig die Tore auf. Kaum je fiel einmal ein dringender Verdacht auf sie, wenn sie sich in ihrem Dienste ansonsten nur unauffällig betrugen.
Der Einäugige, der seine Augenklappe mal links, mal rechts trug, war des Marders treuester Gefolgsmann. Er vereinigte Gerissenheit mit Wagemut und konnte mit seinen dreißig Jahren auf eine leuchtende Karriere im dunklen Gewerbe zurückblicken. Die sieben Weltmeere hatte er befahren, kannte folglich das Gaunerwesen vieler Herren Länder und ließ sich von nichts und niemandem mehr beeindrucken. Da er die Haken bei jedem neuen Vorhaben treffsicher wie kein Zweiter vorherzusagen wusste, konnte ihn keiner dem Marder ersetzen. Er dämpfte dessen oft blindes Ungestüm und stand doch, war nur einmal ein Plan beschlossene Sache, wie ein Fels in der Brandung. Für den Marder und seine Kumpane wäre er durchs Feuer gegangen.
Äußerlich ein wandelnder Eichbaum, schien dagegen bei aufmerksamer Betrachtung der Grenadier der verwundbarste und weichste unter den Vieren zu sein. Der Sohn eines Caputher Bauern, eine lange Runkelrübe, war als einer der ersten ›Langen
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