Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
Schönhausen mit mir speistet, wo ich bei der Königin turnusgemäß vorstellig bin. Dann könnten wir gemeinsam besehen, was Eure Holzfäller im Park an der Panke angerichtet haben.«
Von Schlütern dankte und ward gütigst verabschiedet, während der König das lange entbehrte Flötenspiel zwischen Tür und Angel wiederzubeleben suchte. Es klang jedoch so schauerlich schrill in den hallenden Räumen, dass er es bald sein ließ und beschloss, erst in Rheinsberg darauf zurückzukommen. Dieses Berliner Stadtschloss war nicht nur häßlich und ungefüge; es klang zudem noch denkbar schlecht.
Da die Königlichen Majestäten in Schönhausen dinierten, war den in Berlin verbliebenen Leibköchen ein freier Tag zur Recreation gnädigst gewährt worden. Die Gehilfen nutzten diese Zeit, um die Küchen des Schlosses tüchtig zu schrubben, während Langustier zu von Beeren und Maupertuis schickte und sie einlud, die Naturalien anzusehen, die in mehreren oberen Zimmern des protzigen Palastes aufgebahrt lagerten. Wie ein König konnte man sich heute hier vorkommen, alles glänzte wohl aufgeräumt, wesenlos, die Lakaien schlichen wie Schnecken herum und gähnten unverhohlen.
Ein Gefühl der Leere beschlich Langustier, als er in den östlichen Innenhof trat, um nachzusehen, ob jemand seiner Einladung folgen wollte. Nichts regte sich hier; kein Laut aus der Stadt drang herein. Dieser Brocken aus gebranntem und verputztem Ton war schlimmer als eine Zwingburg. Mit Freuden hörte Langustier endlich die Stimmen von Beerens und Maupertuis’. Die Herren, die sich zum ersten Mal begegneten, hatten sich bereits in einen angeregten Disput über das scherzhaft-hypothetische Maupertuissche Großprojekt des Erdmittelpunktsschachtes vertieft. Man begrüßte einander herzlich und erklomm über endlose Treppenkaskaden die Museumsetage.
Mit einem zierlichen silbernen Schlüssel öffnete Langustier die in den Angeln quietschende Tür. Dem Ohrenscheine nach zu urteilen öffnete sie sich seltener als die Pforte eines osmanischen Serails. Ein wissenschaftlicher Paradiesgarten lag vor ihnen. Auf pyramidenförmig übereinander gestellten Tischen und unzähligen, direkt an die Wände genagelten Podesten lagerten Petrefakten und Mineralstufen, Kegel aus übereinander getürmten Gläsern mit in Spiritus eingelegten Spinnen und Insekten standen in den Ecken der Räume, während der obere Abschluss der Zimmer von einem umlaufenden Fries aus den Hüllen ehemaliger Lauftiere, Vögel, Fische und Lurche gebildet wurde, in die Holzspäne und Wolle gestopft waren, um die Formen recht natürlich wirkend auszufüllen.
Der letzte König hatte diese Hinterlassenschaften eines früheren Professors am Theatrum anatomicum der königlichen Akademie der Wissenschaften geschenkt, doch diese war bislang in Verlegenheit wegen eines besseren Ortes, um sie aufzubewahren und ihren Mitgliedern zugänglich zu machen.
Ausgiebigst hatten die drei Herren der Betrachtung und Begutachtung dieser Schätze bereits gefrönt, als ihre Konzentration durch harte Schritte gestört wurde. Langustier erkannte diesen Gang sofort und konnte Jordan schon laut begrüßen, noch bevor er überhaupt in der Eingangstür des Kabinettes erschien. Es würde wohldoch ein kurzer freier Tag werden, befürchtete der Zweite Hofküchenmeister.
»Monsieur Langustier – …? Wir haben aus dem Hohlkopf von Wirt gestern Nacht endlich einen recht sicheren Hinweis auf die Richtung herausgepresst, in der die Bande entwischt sein könnte. Er hat seine heiklen Gäste belauscht, in der Hoffnung, an ihrem Geldsegen weiterhin teilhaben zu können. Es besteht berechtigter Grund zur Hoffnung, dass die elende Kreatur diesmal nicht darauf aus war, uns in die Irre zu führen. Drei berittene Polizisten sind bereits in der Nacht abgegangen, um die Spur zu verfolgen. Es scheint, als könnte ein kleinerer, vor Ort begangener Diebstahl vollends Aufklärung bringen.
Die bezeichnete Gegend ist weit außerhalb gelegen: Es sind die Rüdersdorfer Kalkberge, ein wildes Terrain mit Felsen, Schluchten und Steinbrüchen – mit einer Expresspost aber in drei bis vier Stunden leicht zu erreichen.«
Jordan näherte sich nun langsam dem entscheidenden Punkt.
»Da Ihr mir nun als ein überaus trefflicher, die rechten Fragen stellender Inquisitor bekannt seid, kam mir der Gedanke, Euch freundlichst zu bitten, der Ergreifung der Täter beizuwohnen, denn es ist immer gut, den Inquisiten keine lange Zeit zur ausflüchtenden Überlegung zu
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