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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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vor allen diejenigen von Philippus Aureolus Theophrastus Paracelsus Bombastus von Hohenheim. Das Leben dieses frommen und einfachen Mannes war für Creuz höchstes Vorbild in seinem Bestreben, der Mitwelt das Beste zugeben, was er vermochte – und zwar trotz der üblen Verleumdungen, die allenthalben gegen ihn umliefen.
    »Warhafftig, sonder Lügen, gewiss und auff das allerwahrhafftigste, diss so Unten ist, ist gleich dem Oberen, Und diss so Oben ist, ist gleich dem Untern, und diss Unter und Ober ist Eines Einigen Dinges.« Die Übersetzung der Inschrift einer im Tal von Hebron gefundenen Smaragdtafel, die angeblich von Hermes Trismegistos selbst stammte, diente Creuz als mentaler Rosenkranz. Unablässig drehte er die leeren Worthülsen zwischen den Lippen, um sich bei seiner Arbeit besser zu konzentrieren.
    Der Vereinigung von Pflanzen-, Tier- und Mineralchemie galt das ganze Augenmerk des ausgezehrt wirkenden Laboranten. Was vor ihm im Reagenzkolben schwappte und die Wandungen leicht ölig und farblos netzte, war das Ergebnis einer langen Reihe von Extraktionen und Zusammenfügungen zahlloser gelöster Mineralsalze sowie tierisch-pflanzlicher Saftkonzentrate. Er hatte bereits die dritte Nacht durchgearbeitet, doch man merkte es ihm kaum an. Das nahe Ende der Bemühungen beflügelte ihn und verlieh ihm ungeahnte Kräfte. Die Anspannung löste sich und eine unbeschreibliche Ruhe kam über ihn.
    Creuz löschte das Feuer unter der noch schwach brodelnden Flüssigkeit, legte weihevoll wie ein Priester nach getaner Gottesanrufung seine Labormütze ab, die einst blau gewesen, nun aber schwarzbraun geworden war. Er nahm den Rundkolben mit dem kristallenen Destillat aus seiner Verankerung, verschloss ihn mit einem Glasstopfen und barg ihn an der schwarz-gelb bestickten Weste, während er sich auf den Weg ins Untergeschoß machte, wo Andersohn schon seit dem frühesten Morgen saß und unter dem behütenden Auge des Lehrlings seine Figuren zu Papier brachte. Der Kranke bemerkte kaum, dass jemand zu ihm trat. Eine Figur, die entfernt einer Glocke ähnelte, beanspruchte seine volle Aufmerksamkeit. Ein frisches Glas wurde ihm hingesetzt. Das nahm er wahr. Er trank es aus, denn diesmal schreckte ihn keine Bitternisdes Stoffes. Creuz stand neben ihm und verfolgte gebannt, wie das Elixier im Munde seiner Versuchsperson verschwand. Einen Moment lang war alles unverändert. Der Ausdruck glückseliger Weltferne schien nicht aus dem Antlitz des Probanden weichen zu wollen. Fieberhaft sann Creuz auf mögliche Fehler in seiner Rezeptur, seine Miene schwankte zwischen Hoffen und Bangen. Unbeirrt setzte der kindliche Maler wieder zu neuen Strichen an.
    Doch er sah nicht länger das Blatt Papier vor sich; die Farbe wich erst von den Dingen, dann flog sie in Blasen aus allen Richtungen zu ihm her. Wie lustig die Lichter spielten und sich mischten! Die gelb-schwarze Weste des freundlichen Herrn vor ihm wurde zu einem Feuersalamander, der mit seinem weit geöffneten Maul träge nach ihm schnappte. Ein ferner Glockenton tönte ihm in den Ohren, kam näher und näher, und schwoll schließlich zu schmerzender Lautstärke an. Andersohn hielt sich die Handflächen auf die Ohren. Er produzierte ein schrilles Gekreisch, wand sich wie ein waidwundes Reh, kippte vom Stuhl und sank vor dem schreckensbleichen Creuz zu Boden. Mit einem rasch geholten und vor dem Mund plazierten Spiegel war kein Atem mehr nachzuweisen, der Puls erstorben. Creuz legte ihm dennoch eine kalte Kompresse auf die Stirn, bevor er treppab und aus dem Haus lief. Er suchte bei dem einzigen Menschen Rat und Hilfe, der ihm außerhalb seiner Behausung hierfür dienlich schien und zugänglich war – bei seinem jungen Logenbruder Adler.
    Der Magister begriff erst nicht recht, was vor sich ging und wusste keineswegs sicher anzugeben, ob er träumte oder wachte, als er die Tür seiner Stube zu dieser für seine Begriffe noch nachtschlafenden Zeit des Sonntagmorgens öffnete – im Türrahmen stand jener Creuz, den er in den Sitzungen der ›Litterärischen Harmonie‹ nur als ruhigen Zuhörer und versonnenen Theoretiker der hermetischen Künste kennengelernt hatte, aufgeregt gestikulierend und nach Luft ringend. Unzweifelhaft war irgendetwas Denkwürdiges vorgefallen, sonst wäre er nicht zu ihm gekommen, doch es gelangAdler im Moment nicht, aus dem wirren Gefasel des Alten zu ersehen, ob es sich dabei um etwas Schlimmes oder etwas Gutes handelte. Trotz der morgendlichen Kühle trug

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