Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
geben, sondern ihnen ihr Leugnen, Zugeben oder Widersprechen ohne Umschweife aus der Nase zu ziehen. Allerdings …«, er zeigte auf den Inhalt der Naturalienkammern, »… für den Fall, dass Ihr Euren Tag ganz der Gelehrsamkeit zu widmen gedenkt, möchte ich Euch selbstredend nicht beschwerlich fallen.«
Er verneigte sich gegen von Beeren und Maupertuis, die nicht umhin konnten, der kleinen Rede zu lauschen. Noch bevor Langustier zu seiner wohl gesetzten abschlägigen Antwort anheben konnte, die er im Geiste schon formuliert hatte, ließ sich Maupertuis unvermutet vernehmen:
»Aber das eine schließt das andere nicht aus, meine Herren. Ichhörte Sie, bester Jordan, das Zauberwort Rüdersdorf aussprechen und bin wie elektrisiert. Eine fulminante Lokalität für die Erforschung der antediluvianischen Zeitläufte! Ihnen, mein verehrter Langustier, seien nur beiläufig jene fassgroßen Nautiliden und seltsamsten Zähne und Knochen aus den Tiefen der Sintflut-Meere in Erinnerung gebracht, die wir just bestaunten, und die uns gerade noch in höchstes Erstaunen versetzten. Dieses Rüdersdorf, wo sie ans Licht kamen, ist ein wahrer Garten Eden für den Jäger auf Formen und Naturspiele. Ich würde mich gerne einmal dort umtun und möchte uns nur freundlichst zur Nutzung dieser Gelegenheit aufrufen. Wann werden Sie, mein lieber Langustier in Ihrem Küchentrott, wann werde ich angesichts der endlosen Reihe gelehrter Diners und Soupers einmal wieder Zeit genug für derartige natürliche Ausflüchte haben?«
Dies war für den Zweiten Hofküchenmeister ein schwer abzuweisendes Argument. Diese Nautiliden hatten tatsächlich etwas Unbezwingliches, Geheimnisvolles an sich. Sie ähnelten bis aufs Kleinste den Perlbooten, die eine der vielen Leibspeisen des Sonnenkönigs gewesen waren, wie er von seinem Vater wusste. Es handelte sich um die versteinerte Form eines Tieres, das nach wie vor in den Weltmeeren lebte.
Langustier suchte nach Gründen gegen den Ausflug, doch sie waren alle verpufft. Nach Wochen in der Großstadt sprach absolut nichts gegen eine Landpartie, schon gar nicht in dieser angenehmen Gesellschaft. Und so schickte er sich drein. Jordan, von Beeren und Maupertuis mussten allerdings noch einige gemessene Augenblicke im bereits vorgefahrenen Sechsspänner auf ihn warten, bis er mit zwei Leinensäcken erschien, die er im Fond der Kutsche verstaute, bevor man abfahren konnte.
Behände und ohne Rast ging es gen Osten. Die Polizeipferde dampften und die Passagiere hatten sich gehörig an den Sitzen festzuklammern. Den angeregten Gesprächen des naturforschenden Trios tat dies aber keinen Abbruch. Nur Jordan schwieg, denner wusste zu Fossilien und Erdgeschichte rein gar nichts beizutragen. Ein langer Exkurs des gelehrten Maupertuis über das Kleinerwerden der Welt durch die Entdeckung der letzten Kontinente und die nachmals beginnende Durchdringung aller Wissensgebiete der Natur wirkte auf den Polizeichef so einschläfernd, dass die Strecke vom Frankfurter Tor bis Eichwalde in der Tat für seine subjektive Empfindung auf Null zusammengeschrumpft war, wie ihm verwundert bewusst wurde, als er kurz vor ihrem Zielort aufwachte. Es gab also doch Kreaturen, die auf deutschen Straßen zu schlafen vermochten: dies war Langustiers erste Erkenntnis auf dieser denkwürdigen Expedition zu den Kalkbergen vor Berlin.
Die Augen des Alchemisten leuchteten, als die klare Flüssigkeit kondensierte. Tröpfchenweise rollte das Destillat an den gewölbten Wänden des Glaskolbens hinab, der zur Kühlung in ein Wasserbad gestellt war. Wie sollte man ihn nennen, diesen Stoff aller Stoffe? Den ›Stein der Weisen‹, das ›Elixier‹, die ›Tinktur‹, den ›Theriak‹ oder das ›Magisterium‹? Die königsblaue Ausgangslösung blubberte und sprudelte, während sich das Resultat in lupenreiner Klarheit niederzuschlagen begann. Creuz atmete ruhiger nach tagelanger Anspannung und Ungewissheit. Sein Blick wanderte über die Wände des hallenartigen Labors. Bücher und Manuskripte reichten aufeinandergetürmt in zwei gewaltigen Mauern bis unter die Dachschräge. Nur wenige der ungezählten Werke über die Fragen der königlichen Kunst, die der Suchende in den langen Jahren seines Experimentierens ausgesaugt und dann beiseite gelegt hatte, waren auf einem kleinen Bücherbord gelagert und somit dauerhaft zugänglich. Dazu gehörten vorzugsweise die Schriften des Raimundus Lullus – des ›Doctor mirabilis‹ –, des Basilius Valentinus sowie
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