Koenigsblut - Die Akasha-Chronik
wollte er keine Details wissen, dachte ich und im selben Moment störte mich dieser Gedanke. Paul war mein Freund, ich wollte mit ihm offen über alles reden, was ich erlebt hatte. Doch § 1 des „Handbuchs zum Umgang mit nichtmagischen Bürgern“ befahl mir unter Androhung eines lebenslangen Aufenthaltes im Haebram, dass ich über alle Details, die die Vereinte Magische Union betrafen, zu schweigen hatte.
„Wisst ihr, eigentlich bin ich ganz froh, dass es doch nicht geklappt hat. Ich bin in Grünenthal glücklich. Moderne Medien ist der perfekte Studiengang für mich. Die Professoren sind echt gut drauf bei uns und mit unserer Firma läuft es auch super. Das Einzige, das mich stört ist, dass ich euch so selten sehe und mit E-Mails schreiben habt ihr es ja auch nicht und an anderen Stellen im Web treffe ich euch gar nicht.“
„Naja, unsere Uni ist nicht so wahnsinnig modern eingerichtet und wir müssen ständig Verwaltungsrichtlinien und Gesetze durcharbeiten, da bleibt kaum Zeit“, erklärte Liana und zitierte damit beinahe wörtlich aus dem „Handbuch zum Umgang mit nichtmagischen Bürgern“.
„Umso mehr freue ich mich, wenn wir uns endlich wieder sehen. Wie geht es Shirley? Ist sie immer noch so eine Zuckerzicke?“ Paul lachte.
„Du würdest sie kaum wiedererkennen, kein grelles Make-up mehr, keine Absatzschuhe und keine Minikleider“, meinte ich schmunzelnd. „Sie ist richtig normal geworden.“
„Den Platz der größten Zuckerzicke hat sie an ein paar andere Mädchen verloren“, sagte Liana.
„Erstaunlich. Hätte ich ihr gar nicht zugetraut“, meinte Paul.
„Ja, mittlerweile sind wir richtig gute Freunde geworden“, grinste ich.
„Genauso wie ich und Freddie.“ Paul lächelte und ich erkannte dieses Lächeln, denn noch vor wenigen Monaten hatte es Liana und mir gegolten.
„Freddie?“, fragte Liana. Ich sah an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie es auch bemerkt hatte.
„Ja, Freddie und Lion. Mit den beiden habe ich die Firma gegründet.“
„Ach ja, du hast das mal in einer Email erwähnt“, erinnerte ich mich.
„Freddie würde dir gefallen. Er ist unglaublich engagiert. Neben ihm komme ich mir immer absolut faul vor. Neulich hatte er seine Semesterarbeit schon zwei Wochen vor Termin abgegeben.“
„Echt“, sagte ich und bemühte mich um einen begeisterten Ausdruck. Liana und ich waren immer Pauls beste Freunde gewesen und nicht dieser Freddie und auch nicht Lion.
„Ja, Lion ist ja genau das Gegenteil. Er ist stinkend faul. In seinem Zimmer sieht es aus wie… ach, das kann man nicht beschreiben. Ich nenn es mal chaotisch, obwohl das nicht ganz ran kommt. Aber der Mann ist ein Genie. Der hat immer genau im richtigen Moment, die richtige Idee. Letztens hatten wir so ein Seminar über die Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre und Freddie hat doch wirklich dem Professor erklärt, wie man die Produktionsfaktoren in der Bilanz bewerten muss, um das Steueraufkommen gering zu halten.“ Paul lachte, doch ich verstand den Witz nicht. Ich sah zu Liana hinüber, die die Lippen zusammengepresst hatte. Ich wollte etwas über meinen Alltag erzählen, über das irre Gefühl auf einem Drachen durch die Lüfte zu schießen oder wie berauschend es sich anfühlte, wenn das Wasser einem gehorchte, über die Feuerschwanzpython oder Professor Hengstenbergs Feengesang. Ich lächelte gequält, während Paul eine Geschichte nach der anderen erzählte. Doch je länger wir zusammensaßen, umso mehr verfestigte sich das Gefühl, dass sich unsere Freundschaft verändert hatte. Den gemeinsamen Alltag, der in den vergangenen Jahren die Grundlage unserer Freundschaft gewesen war, gab es nicht mehr. Erlebnisse und Erfahrungen, die nicht unterschiedlicher und gegensätzlicher sein konnten, prägten jetzt unser Leben. Wir hatten uns auseinander bewegt und diese Erkenntnis versetzte mir einen schmerzhaften Stich.
Als Paul und Liana am Abend gegangen waren, war ich traurig. Die Basis einer Freundschaft waren Ehrlichkeit und Vertrauen. Ich wusste selbst noch genau, wie mich im Sommer die Lügen von Liana zermürbt hatten und wie es mich jetzt zermürbte, Liana etwas zu verschweigen, was sie meiner Meinung nach wissen sollte. Doch ich durfte nicht ehrlich zu Paul sein, sonst drohte mir die ewige Verdammnis und damit wurde mir klar, dass die magische Gesellschaft nicht die Freundschaft zu den nichtmagischen Bürgern verbot, doch sie entzog sie ihrer Grundlage und verurteilte sie damit zum Scheitern.
Der
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