Koenigsblut - Die Akasha-Chronik
auszuprobieren. Ein Ausflug in die Traumwelt klang unglaublich verlockend. Meine Großmutter ahnte meine Gedanken.
„Heb ihn dir auf, Selma! Ich habe das untrügliche Gefühl, dass du ihn noch brauchen wirst. Manche Dinge, die zu einem kommen, kommen nicht ohne Grund. Auch wenn du im Moment noch nicht sehen kannst, wofür er gut sein wird.“
„Arbeitest du heimlich als Prophet?“, fragte ich.
„Nein“, sagte sie. „Als Prophet tauge ich nur bedingt, aber es liegt etwas in den Sphären, dass Veränderungen ankündigt und da ist es immer gut, wenn man so ein seltenes Geschenk in seinem Besitz hat.“ Ich sah meine Großmutter an und dann verstand ich ihre Worte, die ich mit ihren Erzählungen über Vinnla verband.
„Du kannst in die Traumwelt gehen?“, fragte ich.
„Ja, ich bin ein Geistläufer“, gab sie zu.
„Erzähl mir davon!“, bat ich.
„Nein. Die Traumwelt gehört zu den Dingen, die man erleben muss und zwar jeder für sich selbst. Liana hat dir einen Ausflug dorthin geschenkt und wenn du tiefer in die Traumwelt eindringen möchtest, musst du selbst ein Geistläufer werden. Es ist ein langer Weg dorthin, der viel Arbeit bedeutet. Außerdem bist du jede Nacht in der Traumwelt“, sagte sie tröstend.
„Ja, aber das ist ja offenbar nicht dasselbe. Was ist mit meinen Träumen? Haben sie also eine größere Bedeutung, als ich immer dachte?“ Vielleicht verbarg sich dort ein Hinweis auf die Akasha-Chronik, denn in meinen Erinnerungen hatte ich keinen gefunden.
„Die Traumwelt ist eine empfindliche Welt. Zukünftige Ereignisse senden ihre Strahlen in die Gegenwart und wer ein feines Gespür dafür hat, sie zu lesen, kann einige Vermutungen darüber anstellen, was die Zukunft bringen wird.“
„Wie die Sybillen?“
„Die Sybillen haben ab und an einen Glückstreffer. Trotzdem ihre Weissagungen meist nur Humbug sind, sind sie erstaunlich heiß begehrt in der Welt der Magier. Manchmal dringt das Strahlen zukünftiger Ereignisse auch in die Träume der betreffenden Person ein, deshalb kann es hin und wieder von Nutzen sein, die eigenen Träume genau nach Hinweisen auf die Zukunft zu untersuchen.“
„Oh“, sagte ich und legte das Fläschchen, das ich immer noch in den Händen hielt wieder auf den Tisch vor mir. Die Neugier hatte mich gepackt. Bei all dem, was meine Großmutter über die magische Welt wusste, konnte ich die Frage wagen.
„Was weißt du von der Akasha-Chronik?“, sagte ich. Meine Großmutter schien einen Moment lang zu erblassen, aber ich war mir nicht sicher, ob ich es richtig gesehen hatte.
„Nichts!“, sagte sie schnell. Zu schnell.
„Ach so!“, erwiderte ich gedehnt. „Ich will sie finden, weißt du? Sie scheint eine wichtige Rolle in meiner Zukunft zu spielen.“ Ich hatte langsam und nachdenklich gesprochen, um ihr die Gelegenheit zu geben, ihren Entschluss mich anzulügen, zu überdenken.
„Woher weißt du von ihr?“
„Ich war bei den Sybillen, wie du weißt und sie haben mir diesen Ratschlag gegeben.“
„Ach, die Sybillen.“ Meine Großmutter atmete erleichtert aus. „Du weißt doch sicher selbst, dass du diesen Prophezeiungen keinen Glauben schenken kannst, aber wenn du möchtest, höre ich mich mal um.“ Meine Großmutter stand auf. „Jetzt wird es aber Zeit für das Abendessen“, sagte sie schnell und ging in die Küche.
Ihre Lügen machten mich wütend. Sie wusste etwas, das war klar und sie wollte es mir nicht erzählen. Entschlossen stand ich auf und folgte ihr. Als ich die Küche betrat, setzte sie gerade Wasser auf und begann, das Feuer im Kamin wieder anzufachen, das nur noch matt glomm.
„Ich hatte keinen Schwächeanfall“, sagte ich leise. Ich wusste nicht, ob sie mich gehört hatte, denn meine Großmutter nahm die gepunktete Kanne in die Hand, die ich ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. „Ich habe eine Rottenglockenblume genommen!“
Klirrend fiel die Kanne zu Boden und zerbarst in tausend Stücke. Es war also tatsächlich so. Meine eigene Großmutter hatte mir meine Erinnerungen an Adam genommen und an meine Eltern.
„Warum hast du das getan?“, fragte ich in die Stille hinein, die nur vom Knistern des wieder aufflammenden Feuers unterbrochen wurde. Es fiel mir immer schwerer, meine aufwallende Wut zu drosseln. Meine Großmutter bewegte sich nicht. Mit eingesunkenen Schultern stand sie bewegungslos vor dem Herd. Nur der Wiederschein der flackernden Flammen brachte Leben in ihre Miene.
„Warum hast du mir alle meine
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