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Koenigsblut - Die Akasha-Chronik

Koenigsblut - Die Akasha-Chronik

Titel: Koenigsblut - Die Akasha-Chronik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karola Loewenstein
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der aus dem Ruder gelaufen war. Ich blinzelte zu Liana hinüber, die sich neuerdings immer mit Dulcia auf der anderen Seite zusammensetzte. Eigentlich versetzte mir dieser Anblick immer einen schmerzhaften Stich, doch heute fühlte er sich gut gepolstert an. Adam hatte nicht in Tennenbode übernachtet, sein Zimmer war am Morgen leer gewesen, was bedeutete, dass er heute Nacht allein wegen mir gekommen war.
    „Sei doch froh, dass Selma mal gute Laune hat.“, sagte Shirley neben mir. Sie trug heute eine einfache Jeans und ein blaues Shirt, belanglose Kleidungsstücke im Vergleich zu den Designerfummeln, die sie noch vor einem Jahr getragen hatte. „Besser als diese Null-Bock-Stimmung ist das auf jeden Fall.“
    „Da hast du auch wieder Recht“, pflichtete ihr Lorenz bei. „Ich weiß zwar nicht, warum sie so glücklich ist, aber ich kriege es bestimmt noch raus.“
    Ich musste mir schnell etwas einfallen lassen, bevor die beiden begannen, mein Seelenleben in allen Details auszubreiten. Wo blieb nur Professor Hengstenberg? Ich sah mich suchend nach ihr um, doch weder von ihrem kastanienbraunen Haar, noch von den durchscheinenden Flügeln war auch nur irgendwo eine Spur zu entdecken.
    „Was macht ihr eigentlich zu Weihnachten?“, fragte ich, weil mir nichts Besseres einfiel, um das Gespräch von mir abzulenken. Lorenz wurde still und sah Shirley an. Hatte ich etwas Falsches gesagt? Was konnte falsch an Weihnachten sein?
    „Ich fahre zu Lorenz“, sagte Shirley schließlich ruhig und gefasst. Ich ersparte mir und ihr die nächste Frage. Ihre Eltern hatten wieder einmal keine Zeit.
    „Weihnachten bei meinen Eltern darf man allerdings auch nicht verpassen“, frohlockte Lorenz, der genau den richtigen Ton traf, um die angespannte Stimmung aufzulösen.
    „Warum?“, fragte ich. Weihnachten war doch Weihnachten.
    „Meine Eltern lieben Weihnachten. Sie zelebrieren dieses Fest in all seinen wunderbaren Facetten, rein kommerziell betrachtet natürlich.“
    „Ihr versinkt im Kitsch?“ Ich lachte.
    „Ja, genau das tun wir und wir tun es gern und mit voller Überzeugung.“ Lorenz riss sich die Hand an seine Brust und Shirley prustete los. Er sah wirklich albern aus. Ich versuchte ihn mir unter einem glitzernden, blinkenden Tannenbaum vorzustellen, an dem man die letzten grünen Nadeln unter der pompösen Dekoration suchen musste. Ja, das passte.
    Professor Hengstenberg betrat den Raum und mit einem Mal herrschte wieder eine hypnotisierende Ruhe. Ich atmete tief ein und aus, nahm meine Ohrstöpsel und platzierte sie an Ort und Stelle. Trotzdem ich diese kleine Hilfe in Anspruch nahm, brauchte ich noch meine volle Konzentration, um dem Inhalt von Professor Hengstenbergs Vorlesung folgen zu können. Ihre Stimme war wirklich außergewöhnlich und ich konnte ihr noch immer nicht wiederstehen. Auch wenn es sehr verlockend war, in atemberaubende Visionen abzutauchen, blieb ich wach, denn in wenigen Wochen standen die Semesterprüfungen an.
    Professor Hengstenberg hatte schon eine Weile über die Geschichte der Vereinten Magischen Union im dritten und vierten Jahrhundert gesprochen, als mir übel wurde. Es kam plötzlich und so heftig, dass ich aufsprang und mit einem Mal wurde mir klar, was mit mir passierte.
    Wegen Adams Einladung hatte ich die Rottenglockenblumen fast völlig vergessen. Plötzlich und ohne Vorwarnung brach sich eine Welle von Bildern den Weg frei.
    Ich sah meine Mutter, die mir Geschichten erzählte über die Drachen, die ich nur für unschuldige Märchen hielt. Ich sah den Tag, an dem sich meine Familie von mir verabschiedete. Ich hatte keine Lungenentzündung, nein, sie wollten mich nicht mitnehmen. Schreiend lag ich auf dem Boden im Flur und schlug immer wieder mit dem Kopf auf die Steine, aber sie waren weg und würden nie wieder kommen. Nie wieder.
    Ich sah Adam, meinen besten Freund, den ich mit kindlicher Liebe so tief in mein Herz geschlossen hatte, dass jede Sekunde ohne ihn purer Schmerz war. Wir waren immer zusammen, denn wir gehörten einander. Er war der Mensch, an den ich mich klammerte, nachdem meine Familie verschwunden war. Er war alles für mich und ich für ihn.
    Dann kamen neue Bilder. Ich sah die Morlems, die mich holen wollten. Der silberne Blick, die schwarzen Tücher, riesige Gestalten, die mir Angst machten. So fürchterliche Angst, dass ich aufhörte zu sprechen und nur noch Adam an mich heranließ. Sie kamen nicht nur einmal, nein, immer und immer wieder sah ich sie am Wegesrand

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