Koenigsblut - Die Akasha-Chronik
an der Haustür von Lianas Eltern, doch es öffnete mir niemand. Siedend heiß fiel mir ein, dass Liana bei ihrer Großmutter im Laden aushalf und erst am Abend wieder nach Hause kommen würde. Ich würde mich also noch eine Weile gedulden müssen, bevor ich jemandem von meiner Entdeckung erzählen konnte. Jetzt, wo Adam mir die Eile genommen hatte, meine Erkenntnis sofort in eine Tat umzusetzen, beruhigte ich mich. Ich hatte es endlich geschafft, ich wusste, wo die Akasha-Chronik versteckt war. Ich kannte den gewobenen Wortzauber, um mir Zugang zu dem versteckten Tempel zu verschaffen und ich hatte den Nurfur-Nebel, um in die Traumwelt zu gelangen. Wenn Adam wieder da war, würden wir die Einzelheiten der Reise besprechen und dann konnte es losgehen. Alles war perfekt, das erste Mal seit Wochen war ich entspannt und zufrieden.
Langsam schlenderte ich nach Hause. Im Atelier fand ich meine Großmutter, die soeben aus einem Büschel getrockneter und klein gehackter Kräuter einen Sud brauen wollte. Ich sog den Duft der vielen Pflanzen ein, der im Raum schwebte. Durch die bunten Fensterscheiben fiel die warme Sonne, die mir nach dem Tag in Akkanka schwach und fahl vorkam. Trotzdem konnte ich den Moment genießen, ich musste meine Großmutter nicht mehr nach der Akasha-Chronik löchern.
„Was machst du da?“, fragte ich und trat neugierig näher.
„Hallo Selma!“ Sie sah mich prüfend an, sagte aber nichts zu meinem freundlichen Lächeln. „Schön, dass du schon da bist. Du kannst mir helfen und schon einmal das Gruffkraut in kleine Stücke brechen.“ Sie zeigte auf ein Büschel unscheinbaren, grauen Krautes, dass auf der breiten Arbeitsplatte lag. Dann fiel Großmutters Blick auf das Büschel Zitronenrauke, dass ich noch in den Händen hielt.
„Nanu, ich dachte deine Sommersprossen stören dich nicht und du wolltest sie behalten“, stellte sie mit gerunzelter Stirn fest.
„Das ist nach wie vor so. Ich brauchte nur ein Alibi für ein Gespräch mit der alten Kräuterfrau in Akkanka“, erklärte ich und verstaute die Zitronenrauke in meiner Tasche. „Vor vielen Monaten hat ein Mädchen etwas vom Dämonischen Schattenefeu gekauft.“ Ich begann die spröden Pflanzen vor mir zu bearbeiten, wobei ein feiner Nebel aufstieg.
„Überlass die Nachforschungen der Schwarzen Garde“, sagte meine Großmutter streng. Ich biss die Zähne zusammen und verkniff mir jedes weitere Wort. Das lange Warten auf sie fiel mir wieder ein, die schmerzhafte Trennung. Nein, ich wollte das nicht mehr. Ich würde meine Nachforschungen mit Adam besprechen und nicht mit meiner Großmutter, die bei jedem falschen Wort, die Verbindung zu mir sofort abbrach.
„Vorsichtig, Selma, du darfst es nicht einatmen. Sonst wirst du altern“, ermahnte sie mich mit einem Blick auf die Pflanzen vor mir.
„Wie bitte?“, fragte ich verwirrt. Als ich den Nebel bemerkte, den meine Arbeit aufgeweht hatte, hielt ich die Luft an.
„Die Essenz des Gruffkrautes bewirkt einen beschleunigten Alterungsprozess und die Essenz des Griffkrautes verjüngt“, erklärte sie mir geduldig.
„Wofür brauchst du so viel davon?“, fragte ich, als sich der graue Nebel gesenkt hatte.
„Madame Villourie hat ein paar Fläschchen bestellt. Bei ihrer jährlichen Inventur hat sie festgestellt, dass ein paar Tinkturen und Anwendungen zu Bruch gegangen sind. Das Gruffkraut darf man eigentlich nur sparsam verwenden, sonst droht ein Nierenversagen. Sie braucht auch noch Calendulatinktur, Johanniskrautpulver, Baldrianwurzel und Lagnusfasern. Es sieht aus, als ob die Dozenten einen hohen Verbrauch an Beruhigungsmitteln haben.“
„Bestimmt wegen mir. Wofür braucht man Lagnusfasern?“
„Lagnusfasern oder Spinnenkrautfasern, eine faszinierende Pflanze“, murmelte meine Großmutter und schlug ihr dickes Kräuterbuch auf.
„Die Fasern haben feine Nesselkapseln. Wenn du sie dir vorsichtig um die Fuß- und Handgelenke wickelst, wird die Flüssigkeit der Nesselkapseln in deine Haut injiziert und du kannst für ein paar Stunden wie eine Spinne die Wände hoch und runterlaufen. Ein sehr seltenes und wertvolles Kraut. Ich bin mir sicher, dass Madame Villourie es gelegentlich verwendet, wenn sie in den hohen Räumen nicht an jede Spinnwebe rankommt. Allerdings hat es beachtliche Nebenwirkungen, man bekommt einen fürchterlichen Ausschlag davon, wenn man es kaut.“ Ich nickte und wandte mich wieder meiner Arbeit zu. Mit angehaltenem Atem hackte ich das Gruffkraut in kleine
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