Koenigsblut - Die Akasha-Chronik
Augen kaum.
Es war ein Grophotomzauberstab, den ich in den Fingern hielt. Das Feuer hatte die schwarze Verpackung des vermeintlich nutzlosen Zauberstabes abgeschält. Ich hatte ihn die ganze Zeit bei mir gehabt. Ich verkniff mir einen unanständigen Fluch auf Professor Hengstenberg und ihr Urteilsvermögen.
Jetzt musste ich mich beeilen. Der Tumult, den ich hier veranstaltete, würde sonst noch jemandem auffallen. Der Gedanke trieb mich an. Ich wandte mich dem Tor des Tempels zu und hielt den Zauberstab auf das Schloss gerichtet. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie sich der Riegel löste, das Metall sich bewegte. Metall war ein Element der Erde und musste sich meinem Willen fügen. Obwohl diese Dinge erst in das siebte Semester gehörten, hatte ich mit dem Grophotomzauberstaub in der Hand gute Chancen, das Schloss trotzdem zu öffnen.
Ein leises Klacken ließ mich wieder hinsehen. Ich atmete erleichtert aus. Es hatte funktioniert. Ich drückte die Klinke und öffnete die Tür. Schnell schlüpfte ich in den dunklen Raum, der nur schwach von einigen Feuerbällen beleuchtet wurde und nach altem Papier und Staub roch. Er dehnte sich weit nach hinten aus. Meine Schritte hallten blechern aus der Ferne wieder. Unscharf nahm ich wahr, dass die Wände bis zur Decke mit Bücherregalen vollgestellt waren. Dicke Bände voller Staub türmten sich neben Stapeln vergilbter Rollen. Suchend irrte mein Blick durch den Raum, bis ich sie endlich sah.
Die Akasha-Chronik lag in der Mitte des Tempels auf einem goldenen Ständer. Es war ganz eindeutig das Buch aus meinen Träumen. Ich erkannte es wieder. Beim Nähertreten spürte ich die Energie, die das Buch ausstrahlte. Ich streckte den Arm aus, um den ledernen Einband zu berühren. Das Kribbeln in meinen Fingern wurde immer stärker, je näher ich der Akasha-Chronik kam. Es war nicht unangenehm. Ehrfurchtsvoll trat ich noch näher und öffnete behutsam den schweren Buchdeckel. Die vergilbten Seiten waren leer. Ich dachte einen Moment an Parelsus und was er jetzt dafür geben würde, in diesem Moment hier zu stehen. Wenn ich heil hier herausgekommen war, würde ich ihm sagen, wo er die Chronik fand. Das war ich ihm schuldig. Schließlich war es seiner Hilfe zu verdanken, dass ich überhaupt so weit gekommen war.
Jetzt brauchte ich den Nurfur-Nebel und dann half nur noch die Hoffnung, dass das Ritual funktionierte, obwohl ich nicht alle Voraussetzungen erfüllte. Ich klopfte meine Taschen ab und zog das Fläschchen aus meiner Hosentasche. Glücklich betrachtete ich es. Meine Großmutter hatte recht gehabt, als sie mir zu Weihnachten sagte, ich würde es noch brauchen können. Die Erinnerung an sie füllte mich mit einem schalen Gefühl von Schwermut. Sie würde nicht gutheißen, was ich hier tat, aber es musste sein.
Ungeduldig öffnete ich das Fläschchen und legte eine Hand auf das grobe, alte Papier. Ich war so aufgeregt, dass meine Finger zitterten.
Ich schluckte, atmete noch einmal tief ein und wieder aus und hielt dann das Fläschchen unter meine Nase. Mit einem langen Atemzug sog ich den Nebel ein und wartete.
Nichts passierte.
Sollte sich meine Großmutter geirrt haben und der Nebel war doch nur eine gute Fälschung? Ich dachte an den Grophotomzauberstaub. Die Händler in Akkanka waren seriös, daran gab es keinen Zweifel. Oder sollte sich doch einer der Scharlatane eingeschlichen haben, von denen Professor Hengstenberg gesprochen hatte. Die Zweifel wurden immer größer, je länger ich vor der Akasha-Chronik stand, ohne dass sie mich erhörte. Siedend heiß fiel mir mein unreiner Leib ein. Hatte ich mir damit den Zugang zur Wahrheit verschlossen?
Ich dachte eine Sekunde an die Prophezeiung der Sybillen. Nein, sie hatten mir Liebe und Wahrheit versprochen, wenn ich die Gefahr in Kauf nahm.
Es begann plötzlich und fühlte sich an wie Achterbahn fahren, obwohl ich auf der Stelle stehen blieb. Meine Umgebung verschwamm und mir wurde sofort schwindelig. Ich wollte schon vor Erleichterung aufseufzen, doch im letzten Moment beherrschte ich mich und ließ den Nurfur Nebel in meiner Lunge.
Das Innere des Tempels verschwand gänzlich. Es wurde immer heller und heller, bis ich das Gefühl hatte, im grellen Sonnenlicht zu stehen, obwohl ich die Sonne nirgendwo sehen konnte. Wolken aus weißem Nebel flogen um mich herum, während ich noch immer die Hand auf dem Buch hielt, das mit in die Traumwelt gekommen war. Es hatte sich verändert, ein Strahlen schien aus den
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