Koenigsblut - Die Akasha-Chronik
konnte, dass die Worte aus ihrem Mund ernst gemeint waren. Zuletzt sah ich Adam an. Die Züge seines Gesichtes, die ich so sehr liebte, waren verzerrt vor Zorn, vor Wut. Man sah ihm das Durcheinander seiner Gefühle an. Doch noch hatte er kein Wort gesagt, was mich retten konnte.
Ich musste der Sache ein Ende bereiten. Ich durfte Adam nicht opfern. Er war so viel mehr wert als ich. Ich hatte schon alles verloren, was mir etwas bedeutete: meine Eltern, meine Geschwister, meine Großmutter und nun auch Adam. Doch etwas musste ich noch tun, bevor ich von dem Rand der Klippe fiel, an der ich längst stand. Ich konnte ihn retten und sein Leben vor dem Haebram schützen, selbst wenn er es nicht für mich tun würde.
Ich sah, wie er den Mund öffnete, um etwas zu sagen. Doch bevor auch nur ein Wort seinen Mund verlassen konnte, hatte ich meine Entscheidung schon getroffen.
Ehe auch nur irgendjemand einen Schritt auf mich zu machen konnte, schloss ich kurz die Augen und konzentrierte mich.
Sofort brachen sich meine Flügel durch den Stoff meines T-Shirts ihren Weg. Ich spannte die großen, roten Schwingen auf und erhob mich in die Luft. Ohne zurückzusehen, flog ich so schnell ich konnte dem Ausgang zu. Ich hörte den Tumult, der ausbrach, als alle begriffen, dass ich fliegen konnte und auf der Flucht war.
Erst als ich die breiten Türen zur Unterwelt passierte und nach oben ins Licht flog, war es mit einem Mal still. Ich war eine Ausgestoßene, weder in der magischen noch in der nichtmagischen Welt hatte ich einen Platz, zu dem ich fliehen konnte. Das erste Mal in meinem Leben war ich völlig allein. Es gab keine Hoffnung mehr.
Ich fühlte mich so leer, so ohne Kraft, dass ich mich am liebsten aufgegeben hätte. Doch noch war ich nicht weit genug von Adam entfernt. Mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, bewegte ich meine Flügel. Obwohl sich alles in mir dagegen sträubte, mich von ihm zu entfernen. Ich kämpfte gegen den Schmerz in meinen Muskeln und gegen die Leere in meinem Herz. Die Flugübungen bei Gregor König machten sich nun bezahlt, denn noch konnte ich unter mir keinen Verfolger entdecken. Unbehelligt erreichte ich die Oberfläche und schoss nach oben aus dem langen Tunnel heraus, hinein in das Licht eines schönen, unschuldigen Tages. Ich wusste, was zu tun war. Zuerst brauchte ich die Notfalltasche aus meinem Zimmer und dann würde ich über die Villa del Mare weiter flüchten. Die registrierten Türen kamen nicht in Frage, das Senatorenhaus überwachte sie. Ich musste zur Akasha-Chronik und mir Antworten holen. Hier konnte ich nichts mehr tun. Es war vorbei.
Ich erreichte das Dach unseres Wohnturmes ohne Zwischenfälle und hielt inne.
„Kileandros!“ Die Stimme meiner Großmutter klang in meinem Kopf, offenbar hatte sie die leblose Dorina erreicht und von meiner Flucht erfahren.
Nein, ich würde mich nicht verstecken. Wenn ich hier in Tennenbode nichts mehr erreichen konnte, würde ich mir zumindest die Antworten holen, die ich so lange gesucht hatte.
Ich sah mich noch einmal um, bevor ich meine Flügel verschwinden ließ und durch die Dachluke ins Innere schlüpfte. Es würde niemand damit rechnen, dass ich hier Unterschlupf fand und wenn, dann war ich hoffentlich schon längst weg.
„Selma Caspari, stellen sie sich!“, hörte ich Professor Espendorms Stimme in meinem Kopf. Ich musste mich beeilen!
„Wir werden dich kriegen“ , keifte Professor Schönhuber in diesem Moment. Ich stieß einen zornigen Schrei aus und verschloss mit einem Mal meine Gedanken. Es war, als wenn ich eine Mauer um mich herum erschaffen hatte, denn plötzlich herrschte absolute Stille. So lange hatte ich versucht der Musik und Professor Hengstenbergs Stimme standzuhalten. Doch erst jetzt begriff ich, dass ich es nie mit aller Kraft versucht hatte. Ich hatte keine Zeit, mich über diesen kleinen Erfolg zu freuen.
Schnell stieg ich die steile Leiter hinab, durchquerte das Studierzimmer und erreichte endlich mein eigenes Zimmer. Erschrocken stieg ich durch das Chaos. Alles war durcheinander geworfen worden. Mein Bett war zerwühlt, auf dem Boden lagen Bücher und Kleider kreuz und quer durcheinander. Hoffentlich hatte niemand meine Tasche gefunden, die im hintersten Teil des Kleiderschrankes in meinen Stiefeln steckte. Ich öffnete die hölzernen Türen und atmete erleichtert aus. Dahinter lag alles an seinem Platz. Wer den Dämonischen Schattenefeu versteckt hatte, wollte dass er schnell gefunden wurde. Ich
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