Königsjagd
zionistische Organisation zu interessieren, die sich bemühte, etwas für unsere Leute in Deutschland zu tun. Deine Mutter wußte nichts davon. Ich ging siebenunddreißig wieder nach Deutschland, um beim Aufbau einer Fluchtorganisation für Juden zu helfen. Dabei wurde ich allmählich nach links gezogen, wenn ich mich so ausdrücken darf. Die einzigen Leute, die wirklich etwas Konkretes unternehmen, sind beim kommunistischen Untergrund, und ihre Drähte laufen naturgemäß nach Moskau.«
»Und diese Frau Neumann?«
»Irene ist überzeugte Kommunistin. Sie hat schon als siebzehnjährige Schülerin für die Partei gearbeitet. Sie glaubt tatsächlich, Karl Max sei auf dem Wasser gegangen, und sie verabscheut die Nazis. Sie arbeitet im Gestapo-Hauptquartier. Leute wie sie haben überall im Land Vertrauensposten. Du würdest staunen.«
»Und das hier?« Sie hielt den Bericht hoch. »Ich habe dir doch gesagt, Schellenberg ist wichtig, nicht wahr?«
»Aber dieser Versuch, den Herzog von Windsor für ihre Sache zu gewinnen. Das ist absurd. Er würde so etwas nie machen.«
»Das glaube ich auch, aber Schellenbergs Anweisungen scheinen eindeutig genug zu sein. Wenn nötig, soll er den Herzog und dessen Frau sogar entführen. So einfach ist das.« Er lächelte. »Du siehst, Kleines, jetzt ist es wichtiger denn je, daß du am Montag abend fährst und sofort weiterreist nach Lissabon.«
»Und das mitnehme?«
»Du tätest wahrscheinlich besser daran, es auswendig zu lernen.« Sie entschied sich sofort, mit unbändigem Mut. »Weißt du, Onkel Max, bis ich hierherkam, bedeutete es im Grunde nicht viel für mich, eine Jüdin zu sein. Aber dann habe ich gesehen, wie die Juden behandelt werden. Ich persönlich konnte ja ruhig sein. Gute Kleidung, eine gutbezahlte Arbeit, ein amerikanischer Paß - aber ich mußte weiterlaufen, wenn alte Frauen mit einem gelben Stern am Mantel von Tieren in Uniform vom Bürgersteig getreten wurden. Wie oft habe ich mir gewünscht, mich an ihrer Stelle wehren zu können!«
»Du machst es also?«
»Selbstverständlich.« Sie faltete den Bericht zusammen, hob den Rock hoch und steckte das Dokument in ihren Strumpf, wie Irene Neumann es getan hatte. »Ich werde ihn nachher noch einmal lesen.« An der Tür wurde geklopft, und Vogel, der Oberkellner, trat mit einem Strauß roter Rosen ein. »Ich dachte, Sie interessieren sich dafür, daß wir heute abend hohen Besuch haben.«
»Wer ist es denn?« fragte Max Winter.
»Heydrich persönlich, und Schellenberg.« Vogel reichte Hanna den Strauß. »Das ist für Sie mit einer Empfehlung von Schellenberg. Und ob Sie nach Ihrem Auftritt ein Glas mit ihnen trinken würden?«
Im Garden Room war längst nicht so viel los wie sonst. Vogel führte Heydrich und Schellenberg zu einer Nische, die gewöhnlich für Gäste der Geschäftsführung reserviert war.
»Champagner«, sagte Heydrich. »Krug. Zwei Flaschen, und stellen Sie ein paar mehr auf Eis.«
»Gewiß, Obergruppenführer.«
Vogel eilte fort, und Heydrich sah sich im Lokal um. Wie in allen solchen Clubs, gab es auch hier eine Reihe hübscher junger Animiermädchen, die an der Theke saßen. Er musterte sie mit Kennerblicken. Vogel kam mit dem Champagner, und Heydrich befahl: »Die Blonde, die dritte vom Ende der Bar. Sagen Sie ihr, sie soll herkommen.« Das Mädchen kam sofort. Heydrich fragte sie nicht nach ihrem Namen. Er forderte sie einfach auf, Platz zu nehmen, und schenkte ihr ein Glas Champagner ein. Dann schob er ihren Rock etwas hoch und streichelte ihre seidenbestrumpften Knie, während er sich mit Schellenberg unterhielt.
Connie und die Jungs spielten »Some of these Days«, und Heydrich trommelte den Takt mit den Fingern seiner freien Hand auf dem Tischrand mit.
»Ausgezeichnet - wirklich ganz ausgezeichnet. Sehen Sie, Schellenberg, eine der albernen Vorschriften unseres Systems lautet, daß von mir erwartet wird, Neger als minderwertig zu betrachten, was mir nicht leichtfällt, denn ich bewundere Louis Armstrong, die Musik Duke Ellingtons und das Klavierspiel von Fats Waller.«
Schellenberg entgegnete: »Finden Sie nicht, daß die Judenfrage die gleichen persönlichen Schwierigkeiten aufwirft? Ich meine, fast jeder bessere Mathematiker oder Musiker oder Wissenschaftler scheint Jude zu sein, und eine ziemlich große Zahl von ihnen ist ausgewandert. Ich frage mich, wie lange wir diesen Aderlaß noch verkraften können.« Heydrich runzelte
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