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Königsjagd

Königsjagd

Titel: Königsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Winter.

      Er hatte natürlich keine andere Wahl, er mußte Alarm geben. Dann suchte er Schellenberg, den er in seinem Büro fand, wo er Frau Huber die letzten Briefe diktierte.
      »Hinaus!« fuhr Heydrich sie an. »Hinaus - auf der Stelle!« Sie verließ blaß und erschrocken das Zimmer. Schellenberg sagte: »Was ist denn los?«
      »Sie ist fort, Schellenberg. Die kleine jüdische Hexe. Ich ging in mein Büro, weil das Telefon klingelte, und als ich nach höchstens einer Minute zurückkam, war sie verschwunden.«
      »Aus dem Haus? Wie konnte sie durch den Haupteingang kommen?«
      »Offensichtlich ging sie kurz nach dem Boten für die Reichskanzlei. Sagte dem Posten, sie habe noch eine wichtige Nachricht für ihn.«
      »Die Kaltschnäuzigkeit ist bewundernswert, das müssen Sie zugeben.« Heydrich starrte ihn finster an. »Schellenberg, wenn ich auch nur einen Augenblick lang auf den Gedanken käme, daß Sie etwas damit zu tun hätten...«
      »Ich habe sie Ihnen übergeben, Obergruppenführer«, antwortete Schellenberg mit kühler Stimme. »Seitdem habe ich Frau Huber diktiert, sie kann Ihnen das nötigenfalls bezeugen.«
    Was nicht ganz stimmte, denn er hatte sie um eine Tasse Kaffee gebeten, und sie hatte mindestens zwei Minuten gebraucht, um ihn aus der Thermosflasche in ihrem Büro zu holen, mehr als genug Zeit für ihn, um Heydrichs Arbeitszimmer auf der Hausleitung anzurufen. »Schon gut. Schon gut«, sagte Heydrich. »Aber was sage ich bloß dem Reichsheini?«
      An der Tür wurde zaghaft geklopft, und Frau Huber steckte den Kopf ins Zimmer. »Was gibt's?« fragte er. »Was wollen Sie?«

      »Verzeihung, Obergruppenführer, aber der Reichsführer ist am Telefon. Er will Sie beide sprechen - sofort.«

      Als Hanna aus dem Gebäude war, hatte sie sich schnell entfernt, aber nicht so schnell, daß es auffiel - und sie hatte jeden Moment damit gerechnet, daß eine Stimme sie zurückrief. Sie bog in die erste Straße rechts ein und begann erst dann zu laufen.

      Es war noch so früh am Abend und ziemlich viele Menschen unterwegs; doch im Juli erregte ein Mädchen in Rock und kurzärmeliger Bluse kein Aufsehen. Sie hatte natürlich kein Geld für ein Taxi und mußte den ganzen Weg zum Zoo gehen, was ungefähr eine Dreiviertelstunde dauerte. Dort fragte sie die Frau am Erfrischungskiosk neben dem Eingang nach der Rehdenstraße, und die freundliche, mollige Dame spendierte ihr eine Tasse Kaffee, während sie ihr mit einem Bleistiftstummel auf die Rückseite eines beschriebenen Zettels den Weg skizzierte.

      Die Rehdenstraße lag in einem ziemlich trostlosen Viertel, direkt an der Spree, und bestand großenteils aus alten, halbverfallenen Schuppen und Handwerksbetrieben. Auf halber Höhe erblickte sie über einem Tor ein Schild mit der Aufschrift »Gebrüder Hoffer - Steinmetzarbeiten«. Das große Doppeltor aus Holz, das in einen Hof führte, war verriegelt, die kleine Pforte daneben aber nicht.
    Sie betrat den Hof und blieb schaudernd stehen, denn im Halbdunkel ragte plötzlich eine Reihe drohender Gestalten vor ihr auf. Und dann lachte sie, eine Erlösung von der inneren Spannung, denn sie begriff, worum es sich handelte. Engel und Heilige aus Stein standen zwischen zahlreichen Kreuzen.
      Sie ging zu einem Gebäude an der anderen Seite des Hofes. Oben war ein Fenster, hinter dessen Vorhang Licht schimmerte. Sie öffnete eine schmale Tür und stand vor einer Holztreppe.
      Die deutsche Abwehr hatte schon im ersten Stadium des Krieges mehrere komplizierte Funksuchgeräte und mobile Peileinheiten entwickelt, mit denen sie in den besetzten Städten Europas die Geheimsender der feindlichen Untergrundorganisationen aufspüren konnte. In Berlin war seit einiger Zeit nur noch ein einziger Geheimsender in Betrieb, und auch er nur, weil die Funksprüche nach Moskau auf Max Winters ausdrücklichen Befehl in unregelmäßigen Abständen ausgestrahlt wurden - und weil man den Sender nach jeder Benutzung an einer anderen Stelle installierte.
      In diesem Augenblick stand er bei »Gebrüder Hoffer«, weiterhin der offizielle Name der Firma, obgleich nur noch ein Bruder am Leben war: Otto, der in Verdun ein Bein verloren hatte und seit 1920 der Kommunistischen Partei angehörte.

      Max war nach seiner Flucht aus dem Club sofort in die Rehdenstraße geeilt und hatte das Funkgerät zusammen mit dem jungen Mann, der es bediente, mit einem Lieferwagen kommen lassen. Haupt, so hieß der

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