Königskind
daß sie gleich wieder in ihren schwarzen Gründen zu versinken drohte, gab ich mir einige Mühe, die Flut einzudämmen.
»Auch wenn die Prinzessin wunderschön ist«, sagte ich, »verlöre ich viel, wenn Euer Wunsch in Erfüllung ginge: ich hätte keine
liebe Patin mehr. Und wie leer wäre es dann in meinem Leben!«
Hiermit ergriff ich ihre Hand und bedeckte sie mit Küssen.
»Ihr habt recht, Töchterchen«, sagte Madame de Guise mit bewegter Stimme, »er ist wirklich lieber als die anderen vier zusammen!
Mein Gott, wenn ich daran nur denke! Dieser Erzbischof! Muß er diese Charlotte in der Galerie über dem Chor plazieren! Am
Tag der Salbung! Hinter einer Säule wie hinter seinem kleinen Finger versteckt! Wenn sie wenigstens nicht so gewöhnlich wäre.«
»Aber, wie ich hörte«, sagte die Prinzessin, »ist Madame des Essarts doch wohlgeboren?«
»Ach, was heißt hier wohlgeboren, wenn eine Frau nicht auch Anmut hat! Die Trine hat doch keine Haltung. Sie ist linkisch
zum Erbarmen, geht über den Onkel. Und Busen hat sie zwar, aber keinen Hintern.«
»Mama«, sagte die Prinzessin lachend, »woher wollt Ihr das wissen?«
»Das sieht man, und wenn sie sich noch so auspolstert. Da, seht Euch Perrette an: ihr braucht ihr nur ein wenig die Kuhfladen
abzukratzen …«
»Aber, Madame, ich habe niemals Kühe gehütet!« sagte Perrette verzweifelt.
|78| »Still, dumme Pute! Zieht der Perrette die feinen Plünnen von Madame des Essarts an, und sie werden ihr hundertmal besser
sitzen, und sie wird tausendmal hübscher aussehen!«
»Vielen Dank, Madame!« sagte Perrette, plötzlich froh. »Trotzdem, wenn ich sagen darf, was ich denke, so wollte ich lieber
nicht mit dem Herrn Erzbischof schlafen aus Furcht, daß mir mein Gewissen schlüge.«
»Wollte Gott«, rief die Herzogin, indem sie die Augen zum Himmel hob, eine Mimik, die sie oft anwandte, weil sie ihre schönen
Augen in Geltung setzte, »wollte Gott, meinen Söhnen schlüge mal das Gewissen! Vor allem Charles! Söhnchen, sagt mir, habt
Ihr bei Ludwigs Krönung unter den Pairs den Herzog von Guise gesehen?«
»Nein, Madame, und ich war sehr verwundert, weil ich ihm vorgestern doch hier begegnet bin.«
»Ha, dann werde ich Euch sagen, weshalb er fehlte! Vorgestern hat Charles den ganzen Tag versucht, den Herzog von Nevers zu
überreden, daß er ihm bei der Salbung den Vortritt läßt, aber der Herzog lehnte ab, ganz zu Recht, schließlich ist er Gouverneur
von Reims und hier zu Hause. Daraufhin beschloß doch dieser Narr, der Salbung überhaupt fernzubleiben, ich mochte bitten,
wie ich wollte, aber er scheute sich nicht, dem König, der Regentin, dem Kardinal de Joyeuse und den anderen Pairs eine solche
Kränkung anzutun!«
»Frau Mutter«, sagte die Prinzessin Conti, die vielleicht vermeiden wollte, daß sie nach dem Erzbischof und dem Herzog nun
auch ihr Teil abbekam, »erlaubt, daß ich gehe und Euch Perrette entführe. Es ist spät, und ich möchte Toilette machen.«
»Geht, mein Kind«, sagte Madame de Guise, »wenn es auch ganz unnötig ist, daß Ihr Euch anputzt, weil Ihr in Eurer Jugend sowieso
am schönsten seid, wie Ihr aus dem Bett aufsteht. Aber tut mir vorher einen Gefallen: sagt Eurem armen Gemahl guten Morgen.«
Ohne etwas zu versprechen, erhob sich die Prinzessin in ihrem Nachtgewand (das sehr leicht, sehr ausgeschnitten und fast durchsichtig
war), raubte uns jedoch nicht umgehend das Licht ihrer Schönheit, denn unter dem Vorwand, sich zu strecken und ihre langen
schwarzen Haare auf dem Scheitel aufzustecken, ließ sie uns in Muße ihren prächtigen, schlanken und doch wohlgerundeten Körper
bewundern, indem sie ihr |79| Rekeln und Strecken mit herausfordernden und gleichwohl sehr liebevollen Mienen begleitete, denn trotz ihrer Koketterie, ihres
hochfahrenden Wesens und der Scharfzüngigkeit, mit der sie ihre Nächsten traf, war sie ihnen sehr zugetan.
»Habt Ihr gehört, Louise-Marguerite?« sagte die Herzogin. »Ich befehle es Euch! Ihr geht jetzt auf der Stelle zum Prinzen:
diese Höflichkeit seid Ihr ihm schuldig dafür, daß er wieder einmal allein geschlafen hat.«
»Madame«, sagte sie, »ich kann nicht anders! Der Prinz schnarcht! Und das Tollste ist, er schnarcht in Stößen: sogar im Schlaf
stottert er.«
»Oh, seid Ihr boshaft!« rief Madame de Guise. »Geht bloß! Wäret Ihr nicht meine Tochter, müßt ich Euch hassen.«
Aber während sie diese mögliche Verdammung aussprach,
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